Rz. 56

Abs. 3, 4, eingefügt durch Gesetz v. 16.5.2003[1], enthalten besondere Sanktionen für den Fall, dass der Stpfl. seine Pflichten aus § 90 Abs. 3 AO nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift hat der Stpfl. den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen sowie zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte (u. U. zeitnah) zu dokumentieren und diese Dokumentation auf Anfordern innerhalb von 60 Tagen vorzulegen.[2] Als Rechtsfolge für die Verletzung dieser Pflichten enthält § 162 AO verschiedene Sanktionen. Abs. 3 enthält für diesen Fall besondere Regeln für die Schätzung. In diesem Fall besteht die widerlegbare Vermutung, dass die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte des Stpfl. höher sind als erklärt. Hinsichtlich der Höhe der Schätzung bestimmt die Vorschrift, dass die Finanzbehörde eine Preisspannbreite zulasten des Stpfl. ausschöpfen kann. Darüber hinaus enthält Abs. 4 besondere Sanktionen für die Verletzung der Pflicht aus § 90 Abs. 3 AO, die zu der Steuerbelastung aus der Schätzung nach § 162 Abs. 3 AO hinzutreten. Bei Nichtvorlage der Dokumentation oder bei Vorlage einer unverwertbaren Dokumentation wird ein Zuschlag auf die zugeschätzten Einkünfte erhoben, der den Charakter eines Zwangsmittels und eines Strafzuschlags hat. Bei verspäteter Vorlage der Dokumentation wird ein "Verspätungszuschlag" besonderer Art erhoben, der den Stpfl. zur rechtzeitigen Vorlage anhalten und etwa gezogene Vorteile abschöpfen soll.

 

Rz. 57

Für das Inkrafttreten der Sanktionen in Abs. 3 und 4 bestimmt § 22 S. 2 EGAO, dass die Sanktionen erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden sind, die nach dem 31.12.2003 beginnen, frühestens jedoch 6 Monate nach dem Inkrafttreten der Rechtsverordnung zu § 90 Abs. 3 AO. Da die Rechtsverordnung am 30.6.2003 in Kraft getreten ist, sind die Sanktionen für Zeiträume ab dem 1.1.2004 anzuwenden. § 90 Abs. 3 AO ist demgegenüber erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31.12.2002 beginnt, also für Wirtschaftsjahre ab 1.1.2003. Für den Zeitraum v. 1.1.2003 bis 31.12.2003 ist die Verletzung der Dokumentationspflichten daher sanktionslos.

 

Rz. 58

Es kommt nicht darauf an, in welchem Zeitraum die Vorlagepflichten verletzt werden, maßgebend ist vielmehr der Zeitraum, für den die Dokumentationspflichten zu erfüllen waren. Daher treten die Sanktionen des Abs. 3, 4 erstmals für Dokumentationen in Kraft, die für den Zeitraum ab 2004 zu erstellen waren.

 

Rz. 58a

Durch Gesetz v. 20.12.2016[3] wurden durch Änderung der Abs. 3 und 4 die Regelungen auf den jeweiligen Geschäftsvorfall bezogen. Die Regelung ist am 24. 12.2016 in Kraft getreten. Nach der Begründung zu dem Gesetzesentwurf soll es sich dabei nur um eine Klarstellung handeln.[4] Angesichts des Verweises auf § 90 Abs. 3 AO, der sich auf "Geschäftsbeziehungen" bezieht, nicht auf "Geschäftsvorfälle", dürfte es sich nicht nur um eine Klarstellung, sondern eine verschärfende Neuregelung handeln.[5]

 

Rz. 59

Systematisch ist Abs. 3 richtig eingeordnet, da er besondere Regelungen für die Schätzung im Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung nach § 90 Abs. 3 AO enthält. Abs. 4 ist dagegen falsch eingeordnet, da die an die Nichterfüllung der Verpflichtung knüpfenden Sanktionen mit Straf- und Erzwingungscharakter keine sachliche Verbindung zu der Schätzung haben. Diese Vorschrift hätte im Anschluss an § 90 Abs. 3 AO eingeordnet werden müssen.

 

Rz. 60

Sachlich sind die Vorschriften, insbesondere in ihrem Zusammenspiel zueinander, problematisch. Abs. 3 enthält eine Beweislastumkehr, die in dieser Form dem deutschen Steuerrecht unbekannt ist. Es wird eine echte subjektive Beweislast geschaffen, nicht nur eine objektive Regelung für den Fall der Beweislosigkeit (objektive Beweislast) oder eine Darlegungslast. Die Amtsermittlungspflicht, § 88 AO, wird insofern aufgrund einer pauschalen Regelung eingeschränkt, ohne dass es auf ein etwaiges Verschulden und den Grad eines etwaigen Verschuldens des Stpfl. ankommt.

 

Rz. 61

Die Sanktionen in Abs. 4 schaffen eine neue Art von steuerlichen Nebenleistungen, die es in dieser Form für andere Fälle nicht gibt. Der Zuschlag i. H. v. 5 % bis 10 % der zugeschätzten Einkünfte hat den Charakter einer Strafsteuer. Das Gesetz enthält für die Verletzung der Pflicht aus § 90 Abs. 3 AO damit eine doppelte Sanktion. Nach Abs. 3 kann eine Schätzung zulasten des Stpfl. erfolgen (Ausfüllen eines etwaigen Preisrahmens zulasten des Stpfl.); dies hat den Charakter eines Sicherheits- oder Strafzuschlags. Zusätzlich wird hierauf der Strafzuschlag nach Abs. 4 erhoben, der, soweit bereits die Schätzung nach Abs. 3 den Charakter eines Sicherheits- oder Strafzuschlags hat, zu einem Strafzuschlag auf den Strafzuschlag führt. Die Kumulation dieser Sanktionen ist aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich, dürfte sich jedoch noch im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens halten.

 

Rz. 62

Der Zuschlag nach Abs. 4 für die verspätete Vorlage der Dokumentation soll die rechtzeitige Vorlage erzwingen. Er hat damit den Char...

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