Rz. 46

§ 162 Abs. 2 S. 3 wurde durch Gesetz v. 29.7.2009[1] in die Vorschrift eingeführt. Danach wird widerlegbar vermutet, dass der Stpfl. Einkünfte aus den in § 90 Abs. 2 S. 3 AO genannten Staaten bezogen hat, die im Inland steuerpflichtig sind, oder dass diese Einkünfte höher als die erklärten Einkünfte sind, wenn er seine in § 90 Abs. 2 S. 3 AO geregelten Mitwirkungspflichten verletzt.

 

Rz. 47

Die Vorschrift ist systematisch falsch eingeordnet, da sie in erster Linie nicht eine Schätzungsbefugnis enthält, sondern eine Beweislastumkehr; sie hätte systematisch in den Zusammenhang mit § 90 AO gestellt werden müssen. Die Vorschrift ist andererseits auch unvollständig, da sie die Folgen der widerlegbaren Vermutung nicht regelt, d. h. nicht ausdrücklich bestimmt, in welcher Höhe zusätzliche Einkünfte vermutet werden. Insoweit ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Regeln über die Schätzung erforderlich.

 

Rz. 48

Insgesamt kann die Vorschrift aus systematischer Sicht nicht befriedigen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen gegen die Vorschrift jedoch keine Bedenken. An sich ist eine subjektive Beweislast dem Steuerrecht fremd und daher gleichheitsrechtlich bedenklich. Die Vorschrift knüpft aber an eine Verletzung der Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 S. 3 AO an, also an die schuldhafte Verletzung angemessener und für den Stpfl. erfüllbarer Verpflichtungen. Die Verletzung der Mitwirkungspflichten würde auch ohne gesetzliche Regelung die tatsächliche Vermutung begründen, dass Einkünfte verschwiegen worden sind. Der Stpfl. ist daher nicht schutzwürdig. Insofern enthält die Vorschrift nur eine Konkretisierung eines allgemeinen Beweisgrundsatzes und begegnet von daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Rz. 49

Für die Vorschrift gibt es im Gesetz v. 29.7.2009[2] keine Regelung über den zeitlichen Anwendungsbereich. Vielmehr wird es nach Art. 97 § 22 Abs. 2 EGAO einer Rechtsverordnung der Bundesregierung überlassen, den Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung zu bestimmen. Dies ist durch § 5 der SteuerhinterziehungsbekämpfungsVO v. 18.9.2009[3] geschehen. Die Vorschrift ist danach erstmals für Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 beginnen. Im Ergebnis gilt die Vermutung der höheren Einkünfte erstmals für Einkünfte des Jahres 2010. Bemerkenswert ist, dass das Gesetz es einer Rechtsverordnung überlässt, den Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der Vorschrift zu bestimmen. Die Begründung des Gesetzentwurfs[4] führt hierzu nur an, dass es damit der Bundesregierung ermöglicht werden soll, den Anwendungszeitpunkt der verschiedenen Regelungskomplexe des Gesetzes v. 29.7.2009 a. a. O. aufeinander abzustimmen. Der Zweck der Verlagerung der Bestimmung des Anwendungszeitraums ist konkreter wohl darin zu sehen, dass der Anwendungszeitpunkt der gesetzlichen Regelung mit dem der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung koordiniert werden sollte und der Zeitpunkt des Erlasses der VO bei Erlass des Gesetzes noch nicht feststand. Dies wäre ein ausreichender sachlicher Grund zur Verlagerung der Regelung in die VO. Bestehen bleibt aber das Problem, dass die Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnung Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmen muss.[5] Dabei ist die Bestimmung des Inhalts der Rechtsverordnung in der Ermächtigungsnorm des Art. 97 § 22 Abs. 2 EGAO mit dem "Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung" hinreichend bestimmt. Die Ermächtigung regelt aber nicht ihren Zweck und auch das Ausmaß ist nicht bestimmt. Es muss daher bezweifelt werden, dass die Ermächtigung den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG genügt. Folge wäre, dass die Vorschrift noch nicht anwendbar ist, also bei Prüfungen Schätzungen nicht auf § 162 Abs. 2 S. 3 gestützt werden könnten.

 

Rz. 50

§ 90 Abs. 2 S. 3 i. d. F. des Gesetzes v. 29.7.2009[6] enthält besondere Mitwirkungspflichten des Stpfl. wenn objektive Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Stpfl. Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten in einem Staat oder zu Gebieten unterhält, mit dem kein Abkommen über die Erteilung von Auskünften besteht, der keine Auskünfte in vergleichbarem Umfang erteilt oder bei dem keine Bereitschaft zur Auskunftserteilung besteht. In diesem Fall muss der Stpfl. nach Aufforderung durch die Finanzbehörde die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben über Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten in den genannten Staaten oder Gebieten an Eides Statt versichern und die Finanzbehörde bevollmächtigen, in seinem Namen Auskunftsansprüche gegen die genannten Kreditinstitute außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen.

 

Rz. 51

Verletzt der Stpfl. diese Mitwirkungspflichten, d. h. lehnt er die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung oder die Erteilung der Vollmacht zur Geltendmachung der Auskunftsansprüche ab, greifen mehrfache Rechtsfolgen ein, die die Finanzbehörde alternativ oder kumulativ geltend machen kann. Nach § 147a S. 6 AO kann die Finanzbehörde dem Stpfl. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten auferlegen. Nach § 193 Abs. 1 AO unterliegt der S...

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