Rz. 77

Da es sich bei den zusammengefassten Steuerbescheiden um zwei oder mehrere selbstständige Steuerfestsetzungen handelt, sind diese Festsetzungen unabhängig voneinander anfechtbar.[1] Jeder Gesamtschuldner kann danach selbstständig einen Rechtsbehelf einlegen. Im Rahmen dieser Anfechtung des gegen ihn gerichteten (zusammengefassten) Bescheids ist jeder Gesamtschuldner berechtigt, auch Einwendungen gegen die von dem anderen Gesamtschuldner verwirklichten Besteuerungsgrundlagen vorzubringen.[2] Das folgt daraus, dass ihm im Weg der Zusammenveranlagung diese Besteuerungsgrundlagen steuerlich zugerechnet werden.

 

Rz. 78

Da es sich um selbstständige Steuerbescheide handelt, wirkt die Anfechtung des einen Steuerbescheids nicht automatisch als Anfechtung auch des anderen Steuerbescheids. Grundsätzlich muss also jeder Gesamtschuldner den jeweils gegen ihn ergangenen zusammengefassten Steuerbescheid anfechten, wenn verhindert werden soll, dass einer dieser Bescheide bestandskräftig wird.[3] Allerdings sollte in den Fällen, in denen eine Bekanntgabe der zusammengefassten Steuerbescheide an nur einen der Gesamtschuldner zulässig ist, also von einer Bevollmächtigung des einen Gesamtschuldners durch den anderen ausgegangen wird, der von einem Gesamtschuldner eingelegte Rechtsbehelf im Zweifel auch als in Bevollmächtigung für den anderen Gesamtschuldner eingelegt gelten, soweit sich nicht das Gegenteil aus den Umständen eindeutig ergibt. Entsprechendes sollte für die finanzgerichtliche Klage gelten.[4] Für die Beratungspraxis dürfte es sich aber empfehlen, Rechtsbehelf und Rechtsmittel ausdrücklich im Namen aller Gesamtschuldner einzulegen.[5]

 

Rz. 79

Ob eine Beschwer als Voraussetzung für den Rechtsbehelf vorliegt, richtet sich nach den Verhältnissen des jeweiligen Gesamtschuldners. Die Beschwer kann bei der Zusammenveranlagung auch in einer abweichenden Verteilung der einzelnen Besteuerungsgrundlagen auf die Gesamtschuldner liegen, wenn sich hieraus Konsequenzen für den Fall der Aufteilung der Gesamtschuld, §§ 268ff. AO, ergeben.[6] Da die in der Person des einen Stpfl. verwirklichten Besteuerungsgrundlagen auch dem anderen Stpfl. im Weg der Zusammenveranlagung zugerechnet werden, ist jeder Gesamtschuldner auch hinsichtlich der von dem anderen Gesamtschuldner verwirklichten Besteuerungsgrundlagen beschwert.

 

Rz. 80

Legt nur einer der Gesamtschuldner einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel ein, betreffen der Rechtsbehelf und die Einspruchsentscheidung bzw. das Rechtsmittel und das Urteil nicht den anderen Gesamtschuldner. Es liegt daher kein Fall der notwendigen Beiladung vor.[7] Die Entscheidung gegen den einen Gesamtschuldner hat keine Wirkung für und gegen den anderen Gesamtschuldner, die Gesamtschuld gegen den einen Gesamtschuldner kann sich unabhängig vom Schicksal der Gesamtschuld gegen den anderen Gesamtschuldner entwickeln. Durch das Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahren gegen den einen Gesamtschuldner werden also die rechtlichen Interessen des anderen Gesamtschuldners nicht berührt; es liegt somit auch kein Fall der einfachen Beiladung, § 60 Abs. 1 S. 1 FGO, vor.[8] Hat der Rechtsbehelf oder das Rechtsmittel, das nur von einem Gesamtschuldner eingelegt wurde, Erfolg, wird nur der Bescheid gegen den anfechtenden Gesamtschuldner geändert. Die Steuerfestsetzung gegen den anderen Gesamtschuldner bleibt unverändert.[9]

 

Rz. 81

Werden Ehegatten getrennt veranlagt und legt ein Ehegatte einen Rechtsbehelf ein, während die Steuerfestsetzung gegen den anderen Ehegatten bestandskräftig wird, kann noch im Rechtsbehelfsverfahren Zusammenveranlagung beantragt werden. Diese Zusammenveranlagung hat dann aber nur für den Ehegatten Bedeutung, der den Rechtsbehelf eingelegt hat, die Steuerfestsetzung des anderen Ehegatten bleibt unverändert, sie ist unrichtig, aber bestandskräftig.[10] Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall. Sind die Ehegatten zusammenveranlagt worden und hat ein Ehegatte einen Rechtsbehelf eingelegt, während die Steuerfestsetzung gegen den anderen Ehegatten bestandskräftig wird, kann der Ehegatte, der den Rechtsbehelf eingelegt hat, getrennte Veranlagung beantragen.[11] Die Steuerfestsetzung gegen den anderen Ehegatten bleibt unverändert.[12]

 

Rz. 82

Im Übrigen bestehen bei zusammengefassten Steuerbescheiden hinsichtlich der Rechtsbehelfsbefugnis keine Besonderheiten. Das gilt auch, wenn gegen einen der zusammenveranlagten Stpfl. ein Grundlagenbescheid ergangen ist. Dieser Grundlagenbescheid kann im Rahmen des § 352 AO nur von diesem Stpfl. angefochten werden.[13] Bei der Zusammenveranlagung erlangt dieser Grundlagenbescheid aber auch Wirkung gegenüber dem anderen Stpfl., da der Inhalt des Grundlagenbescheids in die zusammengefassten Steuerbescheide eingeht, ohne dass dieser Stpfl. eine Möglichkeit gehabt hätte, den Grundlagenbescheid anzufechten. Aus diesem Mangel an Rechtsschutz ist geschlossen worden, dass derjenige Stpfl., demgegenüber der Grundlagenbescheid nicht ergangen ist und den dessen Wirkungen nur a...

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