Rz. 53

Eine weitere Neuerung ist die gesetzliche Normierung einer Vorabanforderungsmöglichkeit durch die Finanzverwaltung gem. § 149 Abs. 4 AO n. F.[1] Auch dies entspricht einer gesetzlichen Normierung der bisherigen Verwaltungspraxis. Das FA kann demnach in den in Abs. 3 genannten Fällen vor Ablauf der allgemein verlängerten Fristen eine Abgabe der Steuererklärungen verlangen. Es gelten allerdings gewisse Einschränkungen.[2]

 

Rz. 54

Eine vorzeitige Anforderung kommt nach § 149 Abs. 4 S. 1 AO in den folgenden Fällen in Betracht:[3]

  • Für den vorangegangenen Besteuerungszeitraum wurden die Steuererklärungen nicht oder verspätet abgegeben;[4]
  • für den vorangegangenen Besteuerungszeitraum wurden innerhalb von 3 Monaten vor Abgabe der Steuererklärung oder innerhalb von 3 Monaten vor dem Beginn des Zinslaufs i. S. d. § 233a Abs. 2 S. 1 und S. 2 AO nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt; der ausdrückliche Verweis auch auf § 233a Abs. 2 S. 2 AO ist hierbei neu und soll eine gesetzliche Ungleichbehandlung korrigieren und insoweit die Rechtslage vor der Änderung des § 149 AO wiederherstellen.[5]
  • Vorauszahlungen wurden für den Besteuerungszeitraum außerhalb einer Veranlagung herabgesetzt;[6]
  • die Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum hat zu einer Abschlusszahlung von mindestens 25 % der festgesetzten Steuer oder mehr als 10.000 EUR geführt;[7]
  • die Steuerfestsetzung aufgrund einer Steuererklärung i. S. d. Absatzes 3 Nr. 1, 2 oder 4 wird voraussichtlich zu einer Abschlusszahlung von mehr als 10.000 EUR führen;[8]
  • es ist eine steuerliche Außenprüfung vorgesehen;[9]
  • der Stpfl. hat im Besteuerungszeitraum seinen Betrieb eröffnet oder eingestellt;[10] oder
  • es sind für Beteiligte an einer Gesellschaft oder Gemeinschaft Verluste festzustellen.[11]

Außerdem darf die Finanzverwaltung nach § 149 Abs. 4 S. 3 AO nach einer automationsgestützten Zufallsauswahl ebenfalls Steuererklärungen vorzeitig anfordern. Auf diese Auswahl ist in der Anforderung hinzuweisen. Bislang war den Erlassen eine Anforderung nach Arbeitsauslastung der FÄ zulässig.

 

Rz. 55

§ 149 Abs. 4 AO trifft darüber hinaus Bestimmungen zur Einschränkung von vorzeitigen Anforderungen. So ist für die Befolgung der vorzeitigen Anforderung eine Frist von 4 Monaten zu setzen. Der Stpfl. hat also in jedem Fall 4 Monate Zeit, die Steuererklärung zu erstellen und einzureichen. Zudem handelt es sich bei der Vorabanforderung um einen Verwaltungsakt, der im Ermessen der Behörde steht. Demgemäß ist die Entscheidung zu begründen.[12] Nach der Gesetzesbegründung sind zudem Vorabanforderungen zu widerrufen, wenn ein Stpfl. nachweist, dass er durch diese Anforderung unverhältnismäßig belastet ist. Bei einem Steuerberater kann etwa nach einer Anforderung ein unverschuldeter Personalengpass eine Fristverlängerung im Einzelfall begründen.

[1] Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 149 Rz. 28ff.
[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 149 AO Rz. 30; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 149 Rz. 30ff.
[3] Vgl. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 149 AO Rz. 32ff. zu den einzelnen Fällen.
[12] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 149 AO Rz. 31.

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