Rz. 159

Der Tatbestand der Nr. 4 Buchst. a) betrifft die Nutzung von sog. Safe-Harbour-Regeln durch Verrechnungspreisgestaltungen.[1] Da die Vorschrift sich nur auf Verrechnungspreise bezieht, sind die Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ausgenommen. Verrechnungspreise können nur zwischen verschiedenen Rechtsträgern vereinbart werden. Ein Verweis auf Betriebsstätten fehlt im Gegensatz zu Buchst. b) und c). Die Amtshilferichtlinie v. 25.5.2018, a. a. O., begnügt sich in Anhang IV Teil II E Nr. 1 damit, das Kennzeichen als Nutzung von unilateralen Safe-Harbour-Regeln zu beschreiben. § 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a) AO definiert dagegen den Begriff des Safe Harbour, ohne diesen Ausdruck selbst zu verwenden. Zu einem Kennzeichen führt es danach, wenn eine unilaterale Regelung genutzt wird, die einen Nutzer (Stpfl.) von bestimmten Verpflichtungen befreit. Die Safe-Harbour-Regel muss "genutzt", also von den Stpfl., die die Verrechnungspreise vereinbart haben, angewendet werden. Es muss sich um eine unilaterale Regelung handeln, also eine Regelung, die einseitig von einem Staat eingeführt wurde. Regelungen, die durch Richtlinien der EU, aufgrund eines DBA oder eines Berichts der OECD bestehen, sind nicht unilateral und führen daher nicht zu einem Kennzeichen.[2]

 

Rz. 160

Die unilaterale Regelung kann eine bestimmt definierte Kategorie von Nutzern oder von Geschäftsvorfällen betreffen, muss aber selektiv in dem Sinne sein, dass sie nicht allgemein gilt, sondern bestimmte Unternehmen oder Geschäftszweige von den sonst geltenden Verrechnungspreisregelungen befreit. Rechtsfolge der Regelung muss sein, dass sie den Nutzer von bestimmten Verpflichtungen befreit, die aufgrund der allgemeinen Verrechnungspreisvorschriften des betreffenden Steuerhoheitsgebiets sonst zu erfüllen wären. Diese Verpflichtungen können materieller oder auch formeller Art sein. In materieller Hinsicht zielt die Regelung auf unilaterale Regelungen ab, aufgrund deren von einer Angemessenheitsprüfung der Verrechnungspreise im Einzelfall abgesehen wird und stattdessen bestimmte Pauschalen, Schwellenwerte bei Gewinnmargen oder Bandbreiten bei Preisen oder Gewinnaufschlägen gelten. Ebenfalls hierunter fallen Regelungen, die pauschale Gewinnaufschläge bei Dienstleistungen oder Darlehensgewährungen ohne Angemessenheitsprüfung als fremdüblich ansehen.[3]

 

Rz. 161

In formeller Hinsicht würde das Kennzeichen etwa den Fall erfassen, dass selektiv auf eine Verrechnungspreisdokumentation oder das Country-by-Country-Reporting verzichtet wird. Ein Safe-Harbour in diesem Sinne im deutschen Steuerrecht ist etwa die Lizenzschranke des § 4j EStG, die nur für verbundene Unternehmen gilt und damit Verrechnungspreise betrifft. Dagegen fällt die Zinsschranke nach § 4h EStG, § 8a KStG nicht unter den Tatbestand des § 138e Abs. 2 Nr. 4 AO, da diese Regelung alle Unternehmen, nicht nur verbundene Unternehmen, betrifft, und sie keine allgemeine Vorschrift zu Verrechnungspreisen ist, da eine Angemessenheitsprüfung der Zinsvereinbarung nicht ausgeschlossen ist.Nicht unter dieses Kennzeichen fallen Einzelfallregelungen wie Advanced Pricing Agreements, da diese keine Safe-Harbour-Regelungen sind. Eine Mitteilungspflicht ist auch überflüssig, da die Finanzverwaltung das Advanced Pricing Agreement ohnehin kennt.

[1] Hierzu Bärsch/Engelen, ISR 2021, 180.
[2] BMF v. 29.3.2021, IV A 3 – S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 186f.
[3] Hierzu BR-Drs. 489/19, 41; BMF v. 29.3.2021, IV A 3 – S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 186; hierzu Eberhardt, IStR 2019, 687, 702.

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