2.2.1 Allgemeines

 

Rz. 12

§ 138e Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, b AO führt zwei Vertragsbestimmungen auf, die als Indizien auf das Vorliegen einer schädlichen grenzüberschreitenden Steuergestaltung hinweisen. Sie bilden nur dann Kennzeichen i. S. d. § 138e Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn sie in der Vereinbarung selbst enthalten sind, wenn auch u. U. nicht in der gleichen Vertragsurkunde. Die Vereinbarung wird durch das Vertragsdokument und alle Nebenabreden, die zu dem Inhalt des Vertrags gehören, gebildet. Die Vertragsbestimmungen müssen lediglich vereinbart sein, wobei die Parteien davon ausgehen, dass sie zur Einhaltung dieser Bestimmungen verpflichtet sind. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass die Vertragsbestimmungen auch rechtlich bindend sind. Daher führen auch Vertragsbestimmungen, die wegen ihres Inhalts oder wegen Formmangels rechtlich nicht bindend sind, zu einem Kennzeichen. Mündliche Vereinbarungen führen zu einem Kennzeichen, wenn sie von den Parteien als verpflichtend angesehen werden; allerdings trifft die Finanzbehörde in diesen Fällen die objektive Beweislast, dass solche mündlichen Vereinbarungen abgeschlossen worden sind. Nicht vereinbartes, aber tatsächlich durchgeführtes Verhalten führt nicht zu Kennzeichen in diesem Sinne.

 

Rz. 13

Bestimmungen der Vereinbarung bilden nur dann ein Kennzeichen, wenn sie den in Buchst. a (Vertraulichkeitsvereinbarung) und den in Buchst. b (Vergütungsvereinbarung) beschriebenen Inhalt haben. Die Regelung ist damit abschließend. Andere mögliche Vereinbarungen bilden kein Kennzeichen, auch wenn sie darauf hindeuten können, dass die Gestaltung nur zum Zweck der Steuerersparnis implementiert worden ist. So bildet auch eine Vereinbarung des Haftungsausschlusses, wenn die Steuerersparnis nicht erreicht worden ist, kein Kennzeichen.[1]

[1] Grotherr, Ubg 2019, 322, 325f.; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 138e AO Rz. 4.

2.2.2 Vertraulichkeitsvereinbarungen, Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a

 

Rz. 14

Nach Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a liegt ein Kennzeichen für eine grenzüberschreitende Steuergestaltung vor, wenn die Vereinbarung eine Vertraulichkeitsklausel enthält. Zur Bindungswirkung der Vertraulichkeitsvereinbarung Rz. 12. Eine solche schädliche Vertraulichkeitsklausel liegt vor, wenn durch sie dem Nutzer oder einem anderen an der Steuergestaltung Beteiligten verboten wird, gegenüber anderen Intermediären oder der Finanzverwaltung offenzulegen, auf welche Weise die Gestaltung zu einem steuerlichen Vorteil führt. Betroffen sind nur Vereinbarungen, die konstitutiv zu einer solchen Verpflichtung zur Vertraulichkeit führen. Gesetzliche oder berufsständische Pflichten zur Verschwiegenheit führen daher nicht zu einem Kennzeichen in diesem Sinne. Die Vereinbarung muss die Pflicht zur Vertraulichkeit dem Nutzer i. S. d. § 138d Abs. 5 AO sowie einem anderen an der an der Steuergestaltung Beteiligten auferlegen. "Beteiligte" sind der Nutzer, die Vertragspartner, wenn die Steuergestaltung Vereinbarungen mit anderen Personen enthält, und der oder die Intermediäre.

 

Rz. 15

Die Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit muss die Offenlegung gegenüber anderen Intermediären oder der Finanzbehörde verbieten. Dies ist auf die konkrete Steuergestaltung bezogen, d. h. die Vertraulichkeitsvereinbarung muss die Offenlegung der Steuergestaltung gegenüber Intermediären, die an dieser konkreten Steuergestaltung beteiligt sind, verbieten. Diese Bestimmung soll sicherstellen, dass Intermediäre bzw. Nutzer an der Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht gegenüber der Finanzbehörde nicht dadurch gehindert werden, dass sie die relevanten mitteilungspflichtigen Tatsachen nicht kennen und diese ihnen auch nicht mitgeteilt werden. Daraus folgt, dass eine Pflicht zur Vertraulichkeit nur gegenüber solchen Intermediären schadet, die verpflichtet sind, die Steuergestaltung nach § 138d Abs. 1 AO der Finanzbehörde mitzuteilen. Dagegen ist es nicht schädlich, wenn die Offenbarung der Steuergestaltung gegenüber anderen Personen, die nicht hinsichtlich der konkreten Steuergestaltung mitteilungspflichtig sind, also etwa nicht mitteilungspflichtigen Beteiligten oder Intermediären einer anderen Steuergestaltung, untersagt ist. Die Mitteilungspflicht besteht nicht, wenn nach der Vereinbarung die Zustimmung zur Offenlegung gegenüber anzeigepflichtigen Intermediären und der Finanzverwaltung als erteilt gilt.[1] Da die Pflicht zur Vertraulichkeit nur gegenüber mitteilungspflichtigen Personen schadet, führt die Pflicht zur Vertraulichkeit gegenüber einem Intermediär, der nach § 138d Abs. 7 AO nicht als Beteiligter gilt, nicht zu einem Kennzeichen. Im Ergebnis führen gesetzliche und standesrechtliche Verschwiegenheitspflichten und die Wahrung von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber dritten Personen nicht zu einer mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung.[2]

 

Rz. 16

Eine Vertraulichkeitsvereinbarung, die die Offenlegung gegenüber der Finanzbehörde verbietet, schadet nur, wenn sie diejenige Finanzbehörde betrifft, an die die Mitteilung zu richten ist. Dies ist nach § 138f Abs. 1 AO das Bundeszentralamt für Steue...

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