Rz. 21

Das Gesetz sieht eine Meldepflicht vor, wenn eine grenzüberschreitende Steuergestaltung i. S. d. § 138d Abs. 2 AO vermarktet wird. Eine Definition, wann eine solche Vermarktung vorliegt, gibt es im Gesetz nicht. Eine Vermarktung ist eine an Dritte gerichtete Tätigkeit, die auf den Verkauf eines Produkts (hier der grenzüberschreitenden Steuergestaltung) gegen Entgelt gerichtet ist.[1] Die Gesetzesbegründung spricht insoweit von einem "Anbieten".[2]

Nicht erforderlich ist m. E. dagegen, dass die "Vermarktung" bereits konkret auf eine Bereitstellung zur Umsetzung gerichtet ist.[3] Es muss eine grenzüberschreitende Steuergestaltung, die eines der Kennzeichen erfüllt, vermarktet werden. Diese Gestaltung muss aber nicht vom Vermarktenden entwickelt oder konzipiert worden sein.[4] Auch eine Umsetzung der Gestaltung muss nicht mit dem Vermarktenden erfolgen. Die Vermarktung ist eine eigenständige Tätigkeit, die nicht mit den anderen Tätigkeiten gem. § 138d Abs. 1 AO im Zusammenhang stehen muss bzw. von derselben Person ausgeübt werden muss.

 

Rz. 22

Eine Vermarktung setzt nach dem Wortsinn einen entgeltlichen Verkauf voraus. Dabei ist zwischen der Vermarktungstätigkeit an sich und den mit der Vermarktung intendierten entgeltlichen Verkauf der Gestaltung zu unterscheiden. Die Vermarktungstätigkeit selbst ist regelmäßig nicht entgeltlich; sie ist eine "vorbereitende Tätigkeit", die auf eine weitere Tätigkeit (z. B. Verkauf des Produkts, Umsetzung o. ä.) gerichtet ist. Ein Anbieten i. S. eines bloßen unentgeltlichen Informierens ist daher kein Vermarkten, wenn dadurch nicht eine weitere entgeltliche Tätigkeit erbracht werden soll. Die weitere entgeltliche Tätigkeit muss sich auf die vermarktete Steuergestaltung beziehen. Im engeren Wortsinn liegt m. E. ein Vermarkten nur vor, wenn die Gestaltung verkauft werden soll. Da es sich bei der Gestaltung nicht um eine Ware handelt, dürfte ein Vermarkten auch vorliegen, wenn die entgeltliche Tätigkeit in der Umsetzung der Gestaltung o. ä. liegt.

 

Rz. 23

Nicht eindeutig ist der Wortlaut im Hinblick darauf, ob ein Vermarktungserfolg eintreten muss. Gegen das Erfordernis eines Vermarktungserfolgs spricht der Wortlaut, da dieser nur von "vermarktet" spricht, aber nicht von "vermarktet hat". Auch nach dem Sinn und Zweck der Norm ist kein Vermarktungserfolg erforderlich. Durch die Meldung soll erreicht werden, dass der Finanzverwaltung neuartige Steuergestaltungen früher bekannt werden und dadurch zeitnah z. B. durch Gesetzesänderungen reagiert werden kann. Dazu ist nicht erforderlich, dass diese Gestaltungen bereits vermarktet worden sind. Eine Reaktion ist vielmehr ggf. auch dann schon sinnvoll, wenn die Steuergestaltung noch nicht umgesetzt, aber schon am Markt diskutiert wird. Der Gesetzeszweck, die Veranlagung zu unterstützen, setzt zwar voraus, dass die Gestaltung umgesetzt worden ist. Dies setzt zwar gedanklich auch eine Vermarktung voraus. Allerdings muss es nicht zwangsläufig bei jeder erfolgreichen Vermarktung zu einer Umsetzung kommen. Daher hilft dieser Gesetzeszweck bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Vermarktung" nicht weiter. Auch wenn kein Vermarktungserfolg erforderlich ist, muss die Tätigkeit des Vermarktens aber erfolgt sein. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem die Gestaltung gegenüber Dritten angeboten wird. Mit dem Anbieten der Steuergestaltung gegenüber Dritten ist die Vermarktung erfolgt. Weitere Umstände oder gar ein Vermarktungserfolg müssen nicht vorliegen. Dabei muss sich das Angebot nicht an eine unbestimmte Anzahl von potenziellen Interessenten richten; es reicht aus, wenn dies an einen begrenzten Nutzerkreis – m. E. auch nur eines Nutzers – erfolgt.[5]

[1] BMF v. 29.3.2021, IV A 3-S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 52.
[2] Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 19/14685, 54; vgl. auch die Begründung zum Referentenentwurf v. 26.9.2019, 28.
[3] So wohl aber Schnitger/Brink/Welling, IStR 2019, 157f.
[4] BMF v. 29.3.2021, IV A 3-S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 52; Schnitger/Brink/Welling, IStR 2019, 157f.
[5] BMF v. 29.3.2021, IV A 3-S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 52.

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