2.3.1 Geltung der Erklärungstheorie

 

Rz. 23

Von der Frage des Zeitpunkts der (inneren und äußeren) Wirksamkeit zu unterscheiden ist die Frage, mit welchem Inhalt der Verwaltungsakt innere Wirksamkeit erlangt. Hierzu bestimmt Abs. 1 S. 2, dass der Verwaltungsakt mit dem bekannt gegebenen Inhalt wirksam wird.

Wirksam wird der Verwaltungsakt nicht mit dem Inhalt, den die Behörde ihm geben wollte ("Willenstheorie"), sondern so, wie der Empfänger ihn nach seinem objektiven Sinngehalt unter Rücksicht auf die Verkehrssitte und nach Treu und Glauben verstehen durfte.[1] Aus rechtsstaatlichen Gründen wird für den wirksamen Inhalt des Verwaltungsakts daher darauf abgestellt, wie ihn ein objektiver Empfänger verstehen musste. Der maßgebende Inhalt ist erforderlichenfalls anhand der anerkannten juristischen Auslegungsmethoden zu ermitteln; vgl. Rz. 24. Zu einander widersprechenden Bescheiden vgl. G. Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 174 AO Rz. 11ff.

Wird durch einen Fehler im Behördenverfahren der Verwaltungsakt mit einem anderen Inhalt bekannt gegeben, als er nach dem Willen der Behörde haben sollte, gilt das Erklärte; es stellt sich aber die Frage nach der Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit.[2]

[2] G. Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 129 AO Rz. 3ff.

2.3.2 Bestimmung des Inhalts durch Auslegung

 

Rz. 24

Der Inhalt des Verwaltungsakts ist, soweit erforderlich, durch Auslegung zu ermitteln. Auslegungsmaßstäbe sind dabei §§ 133, 157 BGB, die als allgemeine Rechtsgedanken für die Auslegung von (privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen) Willenserklärungen entsprechend heranzuziehen sind.[1] Maßgebend ist danach der objektive Empfängerhorizont. Allerdings ist im Zweifel (d. h. wenn die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht zu einem eindeutigen Ergebnis geführt hat) auf die für den Stpfl. günstigste Auslegung abzustellen, da Zweifel bei der Erklärung des Willens durch die Finanzverwaltung nicht zulasten des Stpfl. gehen sollen.[2]

 

Rz. 25

Gegenstand der Auslegung sind diejenigen Teile des Verwaltungsakts, die auf die unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sind. Das sind diejenigen Teile des Verwaltungsakts, die innere und äußere Wirksamkeit entfalten, also der persönliche und sachliche Regelungsbereich (vgl. Rz. 21). Außerdem ist – gedanklich in ­einem vorgelagerten Schritt – durch Auslegung zu bestimmen, ob überhaupt eine ­derartige Regelungswirkung nach außen vorliegt.[3] Nicht Gegenstand der Auslegung, wohl aber Hilfsmittel zur Bestimmung des Inhalts durch Auslegung, sind die unselbstständigen Besteuerungsgrundlagen und die Begründung des Verwaltungsakts (Rz. 29).

Der persönliche Regelungsbereich betrifft die Frage, für wen der Verwaltungsakt bestimmt ist oder wer von ihm betroffen sein soll (Adressat). Es kommt darauf an, ob der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen und dem objektiven Inhalt des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erkennen konnte, dass der Verwaltungsakt für ihn bestimmt war bzw. dass er von ihm betroffen sein sollte.[4]

Gegenstand der Auslegung hinsichtlich des sachlichen und zeitlichen Regelungsbereichs ist der "Tenor" des Verwaltungsakts, also der Ausspruch der Rechtsfolge. Auch insoweit kommt es darauf an, wie der Empfänger des Verwaltungsakts den Ausspruch über die Rechtsfolge in sachlicher und zeitlicher Hinsicht nach den ihm bekannten Umständen und dem objektiven Inhalt des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Die Gründe eines Verwaltungsakts können bei der Auslegung nur dann herangezogen werden, wenn der Tenor selbst inhaltliche Zweifel enthält, aber nicht selbst Auslegungsgegenstand sein.[5]

 

Rz. 26

Ausgangspunkt der Auslegung ist der jeweilige Wortlaut. Ist dieser eindeutig, hat eine Auslegung nicht zu erfolgen. Eine Auslegung gegen den ausdrücklichen und klaren Wortlaut des Verwaltungsakts ist nicht zulässig.[6] Zu einer Auslegung kann es aber erst kommen, wenn der Wortlaut der Bestimmung des Adressaten bzw. des Tenors mehrdeutig ist.[7]

 

Rz. 27

Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung des Verwaltungsakts der wirkliche Wille der Behörde zu erforschen; es darf nicht nur der buchstäbliche Sinn seines Ausdrucks zugrunde gelegt werden. Die Auslegung des Verwaltungsakts hat so zu erfolgen, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern.[8]

Verwaltungsakte als empfangsbedürftige Willenserklärungen sind danach so auszulegen, wie der Empfänger sie verstehen konnte und musste.[9] Zu berücksichtigen ist auch, welche behördliche Entscheidung der Betroffene nach seinem Empfängerhorizont in Kenntnis des in seiner Wissenssphäre verwirklichten Sachverhalts billigerweise erwarten durfte.[10]

 

Rz. 28

Wie der Empfänger den Verwaltungsakt verstehen konnte, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen, d. h. danach, wie er nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte verstanden werden ...

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