1 Allgemeines

 

Rz. 1

Ebenso wie § 117a AO wurde § 117b AO neu in die Abgabenordnung aufgenommen durch das Gesetz über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.[1] Damit wurde der Rahmenbeschluss 2006/960/JI des Rates v. 18.12.2006 (RbDatA)[2] in nationales Recht transformiert. § 117b AO regelt den Umgang der Steuerfahndung mit den personenbezogenen Daten, die sie zum Zweck der Prävention erlangt hat. Für die Verwendung solcher Daten, die sie für die Strafverfolgung erhalten hat, gilt § 92b IRG.[3]

[1] Gesetz v. 21.7.2012, BGBl I 2012, 1566.
[2] Nebst – im Wesentlichen redaktioneller – Berichtigungen v. 15.3.2007, Abl L 75 v. 15.3.2007, 26.
[3] Vgl. BT-Drs. 17/8870, 13.

2 Verwendung erhaltener Daten, Abs. 1

2.1 Verwendungsbegrenzung, Abs. 1 S. 1

 

Rz. 2

Nach § 117b Abs. 1 S. 1 AO darf die Steuerfahndung die ihr nach der RbDatA übermittelten personenbezogenen Daten nur für die Zwecke verwenden, für die sie übermittelt worden sind. Dadurch kommt der internationale Grundsatz des Spezialitätenvorbehalts[1] zum Ausdruck. Der ersuchte Staat kann die Verwendung der Auskunft an die Steuerfahndung mit Bedingungen versehen.[2] Ist unklar, ob der ersuchte Staat die Daten im Rahmen der RbDatA übermittelt hat, so ist davon im Zweifel auszugehen, wenn die Datenübermittlung mit dem entsprechenden Formblatt erfolgte.[3]

 

Rz. 3

Über die mitgeteilten Verwendungszwecke hinaus dürfen die übermittelten Informationen nach § 117b Abs. 1 S. 1, 2. Alt. AO dann genutzt werden, wenn dies der Abwehr einer gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit dient. Mit dieser Formulierung, die von derjenigen der RbDatA geringfügig abweicht[4], wird an das deutsche Polizeirecht angeknüpft.[5] Danach liegt eine erhebliche Gefahr vor, wenn eine Beeinträchtigung für ein bedeutsames Rechtsgut, wie der Bestand von Staat, Leben, Gesundheit, Freiheit, wesentlichen Vermögenswerten oder anderen strafrechtlich geschützten Gütern von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit unmittelbar bevorsteht oder bereits eingetreten ist.[6] Als Maßstab für das Vorliegen einer gegenwärtigen und erheblichen Gefahr i. S. d. § 117b Abs. 1 S. 1 AO kann auf die Gründe für die Befreiung vom Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO[7] zurückgegriffen werden.[8]

[1] Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, Einl. 145.
[2] Art. 8 Abs. IV S. 1 RbDatA.
[3] Anlage A zur RbDatA, BT-Drs. 17/8870, 13.
[4] In Art. 8 Abs. 3 S. 1 RbDatA lautet die Formulierung: unmittelbare und ernsthafte Gefahr.
[5] BR-Drs. 1853/10 B, 7.
[6] BVerwG v. 3.7.2002, 6 CN 8/01, NVwZ 2003, 95, Schütte, in Schütte/Braun/Keller, Polizeigesetz in NRW, § 1 Rz. 3ff.
[8] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117b AO, Rz. 3, nimmt dies nur bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität an.

2.2 Verwendung bei Zustimmung des anderen Staates, Abs. 1 S. 2

 

Rz. 4

Soll eine über den mitgeteilten Verwendungszweck hinausgehende Verwendung erfolgen, z. B. für ein Strafverfahren oder für einen Strafprozess, so muss nach § 117b Abs. 1 S. 2 AO der übermittelnde Staat dem vorab zustimmen. Die Zustimmung kann entweder nach Erhalt der Daten und vor beabsichtigter Nutzung eingeholt werden oder der übermittelnde Staat kann diese bereits mit der Übermittlung verbinden.[1]

[1] BT-Drs. 17/5096, 37.

2.3 Bedingungen des übermittelnden Staates, Abs. 1 S. 3

 

Rz. 4a

Der übermittelnde Staat kann die Verwendung der übermittelten Daten gem. § 117b Abs. 1 S. 3 AO an Bedingungen knüpfen. Dies sieht Art. 8 Abs. 4 RbDatA ausdrücklich vor. Diese Bedingungen müssen sich aus dem nationalen Recht des übermittelnden Staates ergeben oder sich auf die Mitteilung des empfangenden Staates der Ergebnisse der strafrechtlichen Ermittlungen oder der polizeilichen Erkenntnisgewinnungsverfahren, in deren Rahmen der Austausch der Informationen und Erkenntnisse stattgefunden hat, an den übermittelnden Staat beziehen. Diese Bedingungen sind gem. § 117b Abs. 1 S. 3 AO für die inländischen Behörden verbindlich.

3 Informationsrecht des Auskunft erteilenden Staates, Abs. 2

 

Rz. 5

Hat die Steuerfahndung aufgrund der RbDatA personenbezogene Daten erhalten, so erteilt sie nach § 117b Abs. 2 AO dem übermittelnden Staat auf dessen Verlangen hin Auskunft über die Verwendung.[1] Dies gilt sowohl für Erkenntnisse, die auf einem konkreten Ersuchen basieren, als auch für solche aus einer Spontanauskunft. Da die Spontanauskunft allerdings nicht auf Fiskaldelikte anzuwenden ist[2], dürfte dies eher die Ausnahme sein. Wird die Steuerfahndung um Auskunft über die Verwendung gebeten, so hat sie diese vollständig und innerhalb angemessener Frist zu erteilen. Mit dieser Vorschrift soll eine Überprüfung des übermittelnden Staates dahingehend sichergestellt werden, dass die Verwendung dem Datenschutzniveau entspricht und der Spezialitätenvorbehalt beachtet wurde. Ohne eine entsprechende Anfrage des übermittelnden Staates erfolgt keine Information über die Verwendung.[3]

[1] Art. 8 Abs. 4 S. 5 RbDatA.
[3] Hoyer, in Gosch, AO/FGO, § 117a AO Rz. 14.

4 Rechtsschutz

 

Rz. 6

Werden personenbezogene Daten entgegen den im Ersuchen genan...

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