Rz. 5a

Eine Selbstanzeige gem. § 371 AO kann – neben weiteren Voraussetzungen – nur dann wirksam erfolgen, wenn die Tat, die Steuerverkürzung, nicht bereits entdeckt ist. Eine Entdeckung der Tat liegt dann vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist.[1] Dabei dürfen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht überspannt werden, weil sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen muss. Die in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO enthaltene Definition der Tatentdeckung enthält eine doppelte, zweistufige Prognose. Zunächst ist – auf der Grundlage der vorhandenen, regelmäßig noch unvollständigen Informationen – die Verdachtslage, und zwar vorläufig, zu bewerten. Aufbauend auf dieser bloß vorläufigen Bewertung muss der Sachverhalt, auf den sich der Verdacht bezieht, zudem rechtlich geeignet sein, eine Verurteilung wegen einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen. Ist das Vorliegen eines Sachverhalts wahrscheinlich, der die Aburteilung als Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit rechtfertigen würde, ist die Tat entdeckt.[2] Damit setzt der BGH eine sehr niedrige Schwelle im Sinne einer auf kriminalistischen Erfahrungen beruhenden Entdeckungsgefahr.[3] Die Entdeckung der Tat setzt wiederum nicht die Entdeckung des Täters voraus. Daher kann auch eine andere als die für die konkrete Besteuerung zuständige Behörde oder ein Gericht die Tat entdecken. Da diese Institutionen regelmäßig nicht über einen Einblick in die Steuerakten verfügen, kommt es jedoch auf den konkreten Einzelfall an, ob eine Kenntnis einer Behörde oder eines Gerichts über einen Sachverhalt ausreichend ist, um eine Tatentdeckung i. S. d. § 371 AO anzunehmen.[4] Ist im Einzelfall aber davon auszugehen, so besteht gem. § 116 Abs. 1 AO regelmäßig eine Mitteilungspflicht. Daher kann die Mitteilungspflicht nach § 116 AO dazu führen, dass die Möglichkeit einer Selbstanzeige schon frühzeitig ausgeschlossen ist.

[3] Seer, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 23.60.
[4] Engler, DStR 2017, 2260 (2263).

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