Rz. 12

Nach § 111 Abs. 1 S. 1 AO "haben" alle Gerichte und Behörden die zur Durchführung der Besteuerung erforderliche Amtshilfe zu leisten. Für sie besteht also eine Amtshilfepflicht. Diese Behörden trifft jedoch keine Amtshilfepflicht, wenn sie zur Ablehnung der Amtshilfe verpflichtet[1] oder berechtigt[2] sind. Abs. 2 und 3 sehen also vor, wann ersuchte Behörden die Amtshilfe verweigern müssen oder verweigern dürfen.

3.1 Ausschluss aus rechtlichen Gründen (Abs. 2)

 

Rz. 13

Wenn die ersuchte Behörde aus rechtlichen Gründen dazu außer Stande ist, darf sie Amtshilfe nicht leisten, auch wenn sie es wollte. Bei Leistung der Amtshilfe in diesem Fall würde die ersuchte Behörde rechtswidrig handeln. Dies gilt insbesondere, wenn die angeforderte Hilfsmaßnahme selbst bereits offenkundig rechtswidrig ist. Das gilt auch, wenn die ersuchte Behörde für die Tätigkeit sachlich oder örtlich nicht zuständig ist, da die Zuständigkeiten durch das Amtshilfeverfahren nicht erweitert werden.[1]

 

Rz. 14

Für die Rechtmäßigkeit der angeforderten Hilfe ist das Recht der ersuchten Behörde maßgebend.[2] Diese hat daher zu prüfen, ob die Durchführung der Amtshilfe durch sie in der geforderten Weise rechtmäßig ist.[3] Dagegen ist für die Zulässigkeit der Maßnahme der ersuchenden Behörde, die durch die Amtshilfe ermöglicht und verwirklicht werden soll, die ersuchende Finanzbehörde verantwortlich[4], nach deren Recht sich auch die Zulässigkeit richtet.[5] Die ersuchte Behörde ist daher zur Prüfung insoweit nicht verpflichtet. Sie ist hierzu allerdings berechtigt.[6]

Da die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Amtshilfe bei der ersuchenden Behörde verbleibt, ist diese auch verantwortlich für etwaige Konsequenzen einer rechtswidrigen Amtshilfe, beispielsweise eine Haftung. Die Annahme einer Prüfpflicht durch die ersuchte Behörde in jedem Fall ginge daher zu weit.[7]

 

Rz. 15

Eine rechtliche Schranke für die Hilfeleistung kann sich aus einer Gesetzesvorschrift ergeben, die entweder § 111 AO oder die Aufhebung der Verschwiegenheitsverpflichtung nach § 105 Abs. 1 AO ausschließt. Hier ist das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis zu nennen.[8] Aber auch zahlreiche andere Gesetze sehen wie § 105 Abs. 2 AO Ausnahmen zu der nach § 105 Abs. 1 AO aufgehobenen Schweigepflicht öffentlicher Stellen vor.[9] Dagegen tritt das allgemeine Amtsgeheimnis hinter der Amtshilfepflicht zurück. Eine Amtshilfe scheidet allerdings auch aus, wenn sie dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereiten würde. Die Amtshilfepflicht ist nach § 111 Abs. 5 AO i. V. m. § 106 AO entsprechend eingeschränkt.

 

Rz. 16

Weder die DSGVO noch das BDSG[10] stehen demgegenüber der Amtshilfe entgegen. § 1 Abs. 3 BDSG bestimmt zwar, dass seine Vorschriften denen des VwVfG vorgehen, soweit bei der Ermittlung des Sachverhalts personenbezogene Daten verarbeitet werden. Eine entsprechende Regelung zur AO fehlt, sodass über den Vorrang des § 1 Abs. 3 BDSG für die AO die §§ 111ff. AO vorgehen. Für das Steuergeheimnis gibt § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO die Befugnis zur Amtshilfe an eine Finanzbehörde, sofern dies für Zwecke der Besteuerung erforderlich ist.

[1] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 112 AO Rz. 9.
[6] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 112 AO Rz. 6.
[7] A. A. Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 112 AO Rz. 62.
[9] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 105 AO Rz. 4.
[10] Bundesdatenschutzgesetz i. d. F. v. 23.6.2021, BGBl. I 2021, 1858.

3.2 Ablehnung (Abs. 3)

 

Rz. 17

Für die Ablehnung der Hilfe durch die ersuchte Behörde stellt Abs. 3 für drei Gründe Voraussetzungen auf. Diese sind nicht abschließend, sondern nur beispielhaft.[1]

 

Rz. 18

Nach Nr. 1 darf die ersuchte Behörde die Hilfe ablehnen, wenn sie die Amtshandlung zwar mit geringerem Aufwand als die ersuchende Finanzbehörde vornehmen könnte, eine dritte, von der ersuchenden verschiedene Behörde jedoch die Hilfe wesentlich einfacher oder mit erheblich geringerem Aufwand leisten könnte. Die ersuchende Behörde ist also nicht frei in der Auswahl der ersuchten Behörde.[2] Der Ablehnungsgrund liegt also in einer Verletzung des Ökonomieprinzips. Nimmt die ersuchende Behörde entgegen § 113 AO nicht die Behörde auf der untersten Verwaltungsstufe in Anspruch, so ist dies allein kein Grund für eine Ablehnung der Amtshilfe. Es muss ein konkreter, darüber hinausgehender Grund nach § 112 Abs. 3 Nr. 1 AO hinzukommen.[3]

 

Rz. 19

Ablehnen darf die ersuchte Behörde die Amtshilfe auch, wenn diese bei ihr einen unverhältnismäßig großen Aufwand bedeuten würde (Nr. 2). Das Missverhältnis muss sich im Vergleich zu dem in eigenen Sachen von der ersuchten Behörde getätigten Aufwand zu ihrem Aufwand für die Hilfeleistung ergeben. Das Verhältnis zum Aufwand bei der ersuchenden Behörde ist dagegen bereits bei den Voraussetzungen der Amtshilfe gem. § 112 Abs. 1 Nr. 5 AO zu prüfen.[4]

 

Rz. 20

Die ernstliche Gefährdung der Erfüllung der eigenen Auf...

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