Rz. 1

Der Sitz einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse entspricht für den steuerlichen Anwendungsbereich weitgehend dem Wohnsitz natürlicher Personen. Die Begründung des Sitzes ähnelt dagegen weniger der des steuerlichen Wohnsitzes als der des zivilrechtlichen Wohnsitzes, obwohl steuerlich stets nur ein Sitz möglich ist[1], während eine natürliche Person zivilrechtlich wie steuerlich gleichzeitig mehrere Wohnsitze nebeneinander haben kann. Der steuerliche und der zivilrechtliche Sitzbegriff stimmen grundsätzlich überein. Ein statuarischer Zweitsitz kann nach deutschem Recht nicht begründet werden.[2] Auch das Steuerrecht lässt dies nicht zu.[3] Wird nach dem ausländischen EU-Recht ausnahmsweise ein Zweitsitz tatsächlich anerkannt, muss dem auch das Steuerrecht folgen, da § 11 AO an das Zivilrecht anknüpft. Ausnahmsweise kann ein Sitz auch steuerrechtlich fehlen.[4]

 

Rz. 2

Für den Sitz ist – außer in den wenigen Fällen der gesetzlichen Festlegung – die rechtsgeschäftliche Bestimmung im Gesellschaftsvertrag, in der Satzung, im Stiftungsgeschäft oder dgl. maßgebend.[5] Er kann also frei gewählt werden. Demgegenüber richten sich der Wohnsitz und auch die Geschäftsleitung nach den tatsächlichen Verhältnissen und sind daher nur durch Veränderungen tatsächlicher Art gestaltbar. Zivilrechtlich wird allerdings nach der Sitztheorie auch ein vom statuarischen Sitz abweichender tatsächlicher Sitz für möglich gehalten.[6] Zum fiktiven Sitz vgl. Rz. 7. Abweichend von der Geschäftsleitung begründet der Sitz keine Betriebsstätte.[7]

 

Rz. 3

Während der Ort der Geschäftsleitung häufig allein genannt wird[8], wird der Ort des Sitzes als Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen meist neben dem der Geschäftsleitung genannt. Zu beachten ist, dass dies i. d. R. eine Gleichrangigkeit beider bedeutet.[9] Nur wenn der Sitz als subsidiär gekennzeichnet ist oder eingesetzt wird[10], gilt diese Rangfolge. Das ist z. B. nach den meisten DBA und nach Art. 4 Abs. 3 OECD-MA 1977/92 der Fall.[11]

[1] S. Rz. 7.
[2] OLG Hamburg v. 4.1.1972, 2 W 113/71, MDR 1972, 417; a. A. BayObLG v. 19.7.2000, 3Z BR 162/00, NJW-RR 2001, 28.
[3] Musil, in HHSp, AO/FGO, § 11 AO Rz. 23; Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 11 Rz. 4.
[4] Z. B. bei Spaltgesellschaften; s. § 10 AO Rz. 18g; Buciek, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 11 AO Rz. 17; Musil, in HHSp, AO/FGO, § 11 AO Rz. 28.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 11 AO Rz. 1.
[7] Buciek, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 11 AO Rz. 1; Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 11 Rz. 1.
[10] Z. B. in § 20 Abs. 1, 2 AO.
[11] Vogel, DBA, Art. 4 Abs. 3 OECD-MA Rz. 12f.

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