Rz. 8

Die Gefahr der Verfolgung muss sich aus der Auskunftserteilung ergeben. Diese Kausalität liegt nicht vor, wenn die die Verfolgungsgefahr begründenden Umstände ohnehin bekannt und nicht bestritten sind.[1]

Die Gefahr der Verfolgung besteht in der Möglichkeit der Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens mit Zielrichtung der Ahndung. Voraussetzung eines solchen Verfahrens ist, dass ein entsprechender Tatverdacht entstehen oder verfestigt werden kann, d. h., dass tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit in Erscheinung treten bzw. erhärtet werden.[2] Es ist nicht erforderlich, dass ein Straf- oder Bußgeldverfahren bereits eingeleitet worden ist.[3]

 

Rz. 9

Diese Gefahr muss objektiv, nicht nur in der Vorstellung der Auskunftsperson, bestehen.[4] Hierbei reicht auch eine entfernte Möglichkeit, z. B. die eventuell zulässige Wiederaufnahme eines Strafverfahrens oder nur die Beweiserleichterung für ein bereits anhängiges Verfahren.[5]

 

Rz. 9a

Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 103 S. 1 AO ist aufgrund des G. v. 17.7.2017[6] dahin geändert worden, dass § 103 S. 1 AO auch dann eingreift, wenn die Gefahr einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 83 DSGVO [7] droht. Allerdings ist die Finanzbehörde nach § 32i Abs. 3 AO im Gegenzug berechtigt, gegen eine Entscheidung der Datenaufsichtsbehörde gegenüber der mitwirkungspflichtigen Stelle, die sich künftig auf ein Aussageverweigerungsrecht nach § 103 AO berufen kann, Feststellungsklage zu erheben.[8]

 

Rz. 10

Eine Verfolgungsgefahr ist nicht gegeben, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen der Tat erfolgt ist[9], ein Strafverfahren bereits rechtskräftig durch Einstellung des Verfahrens abgeschlossen worden ist[10] oder Rechtfertigungsgründe bzw. schuldbefreiende oder strafausschließende Umstände vorliegen.[11] Damit entfällt das Auskunftsverweigerungsrecht z. B. bei strafbefreiender Selbstanzeige gem. § 371 AO, bei Schuldunfähigkeit gem. § 19 StGB, bei Verjährung nach §§ 78ff. StGB.[12]

[2] § 152 Abs. 2 StPO; s. Erl. bei Nikolaus, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, zu § 397 AO.
[3] BFH v. 24.11.1954, II 231/52 U, BStBl III 1955, 30; Schindler, in Gosch, AO/FGO, § 103 AO Rz. 13; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 103 AO Rz. 10.
[4] Klein/Rätke, AO, 15. Aufl. 2020, § 103 Rz. 7.
[6] G. zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften, BGBl I 2017, 2541.
[7] Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 (Datenschutz-Grundverordnung), ABl EU Nr. L 119, 1, ber. ABl EU Nr. L 314, 72.
[8] BT-Drs. 18/12611, 95.
[9] S. z. B. BFH v. 7.5.2007, X B 167/06, BFH/NV 2007, 1524 unter Verweis auf BGH v. 13.11.1998, StB 12/98, NJW 1999, 1413 für den Fall, dass im strafrechtlichen Rechtsmittelverfahren nur noch zugunsten des Angeklagten über die Strafmilderung zu entscheiden ist.
[11] Schuster, in HHSp AO/FGO, § 103 AO Rz. 13.
[12] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 103 AO Rz. 10.

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