Rz. 15

Die Finanzbehörde soll die betroffenen Personen nach § 99 Abs. 1 S. 2 AO angemessene Zeit vor der beabsichtigten Maßnahme benachrichtigen. Hiervon ist nur im Ausnahmefall, nämlich bei sonst drohender Gefährdung oder Vereitelung des Beweiszwecks[1], abzusehen[2]. Dies ist immer dann der Fall, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass der Betroffene den Gegenstand des Augenscheins verändern, wegschaffen, verstecken oder vernichten wird[3].

 

Rz. 16

Zur Frage, ob es erforderlich ist, auch vor der Besichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers den Stpfl. zu benachrichtigen, sind in der Lit. im Anschluss an FG Niedersachsen v. 9.3.1993, VII 314/90, EFG 1994, 182 Meinungsverschiedenheiten aufgetreten. Auf der einen Seite wird die – Unterstützung verdienende – Ansicht vertreten, dass in diesen Fällen eine vorherige Benachrichtigung wegen drohender Vereitelung des Kontrollzwecks regelmäßig unterbleiben könne (Rößler, StBp 1994, 282; Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 99 AO Rz. 8; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 30; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 20. Aufl. 2011, § 99 AO Rz. 4). Dem steht der Standpunkt gegenüber, dass auch bei Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer die Richtigkeitsvermutung der Steuererklärung gelten müsse und deshalb eine vorherige Information generell erforderlich sei[4].

 

Rz. 17

Durch die Benachrichtigung soll dem Betroffenen die Gelegenheit gegeben werden, an der Augenscheinseinnahme teilzunehmen[5]. Die Teilnahme des Betroffenen sowie ggf. des Beteiligten wird im Regelfall auch zweckmäßig sein. Beide Personen haben aber kein Recht auf Anwesenheit. Der Gesetzgeber befürchtete offenbar eine unangemessene Verzögerung des Besteuerungsverfahrens[6]. Die Finanzbehörde sollte jedoch sowohl die Anwesenheit des Inhabers der Sachherrschaft als auch des Eigentümers zulassen, soweit dadurch der Zweck der Augenscheinseinnahme nicht beeinträchtigt wird. Gewisse Verzögerungen sind hinzunehmen[7]. Die ­Finanzbehörde muss einem nicht anwesenden Beteiligten zu den Ergebnissen der Augenscheinseinnahme aber jedenfalls rechtliches Gehör gewähren[8]. Im Einspruchsverfahren ist außerdem § 365 Abs. 2 AO zu beachten.

 

Rz. 18

Soll der Beteiligte, der nicht Inhaber der Sachherrschaft ist, an der Augenscheins­einnahme teilnehmen, so ist auch er zu benachrichtigen. Das Betreten des Objekts durch den Beteiligten hängt in diesem Fall aber vom Einverständnis des unmittelbaren Besitzers ab. Dieses kann nicht durch die Finanzbehörde erzwungen werden[9].

 

Rz. 19

Die Benachrichtigung der betroffenen Personen soll angemessene Zeit vor Durchführung der Maßnahme erfolgen. Die Angemessenheit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Normalerweise wird es genügen, wenn die Finanzbehörde den Betroffenen vier Wochen vor dem Besichtigungstermin über die vorgesehene Maßnahme informiert[10].

[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 AO Rz. 12; Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 99 AO Rz. 18; Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 99 AO Rz. 8; FG Niedersachsen v. 9.3.1993, VII 314/90, EFG 1994, 182.
[3] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 29.
[4] Gosch, StBp 1994, 123, 283; Gretter, BB 1994, 1393, 1755; wohl auch Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 99 AO Rz. 28.
[5] Rätke, in Klein, AO, 11. Aufl. 2012 § 99 AO Rz. 6.
[6] BT-Drs. VI/1982, 136.
[7] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 AO Rz. 13.
[8] vgl. § 98 AO Rz. 8b.
[9] Wünsch, in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 99 AO Rz. 11; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 34.
[10] Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 99 AO Rz. 18.

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