Rz. 17

Das Vernehmungsersuchen ist nach § 94 Abs. 1 S. 1 AO an das für den Wohnsitz[1] oder den Aufenthaltsort[2] der zu beeidigenden Auskunftsperson zuständige Finanzgericht zu richten. Befindet sich an dessen Wohnsitz oder Aufenthaltsort nicht der Sitz eines FG oder eines besonders errichteten Senats eines FG, kann nach § 94 Abs. 1 S. 2 AO auch das örtlich zuständige Amtsgericht[3] um eine eidliche Vernehmung ersucht werden.

 

Rz. 18

Es steht in diesen Fällen im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde, ob sie von der Möglichkeit eines Ersuchens an das Amtsgericht Gebrauch macht. Hierbei sind die Grundsätze der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu beachten. Die primäre Zuständigkeit liegt aufgrund der besonderen Sachkunde in Steuersachen bei den FG.[4] Die grundsätzliche Vorrangigkeit der Finanzgerichte geht ferner aus der Formulierung des § 94 Abs. 1 S. 2 AO hervor. Danach kann "auch" das zuständige Amtsgericht ersucht werden. Andererseits ist im Rahmen der Ermessensentscheidung einzubeziehen, dass eine große Entfernung zum Sitz des FG für die zu beeidigende Person mit spürbaren Nachteilen (z. B. Reisekosten, Verdienstausfall, Zeitaufwand) verbunden sein kann.[5] In solchen Fällen ist es ermessensgerecht, das näher gelegene Amtsgericht um die eidliche Vernehmung zu ersuchen. Das ersuchte Gericht ist an die Auswahl durch die Finanzbehörde gebunden. Eine Verweisung durch das örtlich zuständige FG an das Amtsgericht (und umgekehrt) ist nicht zulässig.[6]

 

Rz. 19

Die Vernehmung und Beeidigung findet vor dem dafür im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Richter als Einzelrichter statt.[7] Nur über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung der Auskunft oder der Eidesleistung entscheidet das FG durch Senatsbeschluss.[8] Wird das Amtsgericht um eine eidliche Vernehmung ersucht, werden Vernehmung und Eidesabnahme entsprechend §§ 156ff. GVG durch den im Geschäftsverteilungsplan für Rechtshilfeangelegenheiten bestimmten Richter durchgeführt.[9]

[4] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 94 AO Rz. 18; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 94 AO Rz. 15; Koenig/Wünsch, AO, 4. Aufl. 2021, § 94 Rz. 18; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 94 AO Rz. 6.
[5] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 94 AO Rz. 5; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 94 AO Rz. 18.
[6] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 94 AO Rz. 23.
[9] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 94 AO Rz. 19.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge