Rz. 64

Als Rechtsmittel im weiteren Sinn stehen dem Betroffenen noch die Verfassungsbeschwerde und die Dienstaufsichtsbeschwerde zur Verfügung.

Mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein, kann jedermann die Verfassungsbeschwerde erheben.[1] Das BVerfG ist jedoch keine zusätzliche Ins tanz; es kann grundsätzlich nur nach Erschöpfung des Rechtswegs angerufen werden und nur mit der Behauptung einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. Die Verfassungsbeschwerde kann andere Rechtsmittel nicht ersetzen oder als Mittel zur Umgehung des ordentlichen Rechtswegs dienen.[2] Führt die Verfassungsbeschwerde im Einzelfall zum Erfolg, so darf die Steuerfahndung durch verfassungswidrige Maßnahmen erlangtes Beweismaterial nicht verwerten.[3]

 

Rz. 65

Dem Betroffenen stehen ansonsten nur die formlosen und stets zulässigen "Rechtsmittel" der Dienstaufsichtsbeschwerde und der Gegenvorstellung zur Verfügung. Beide führen nur sehr selten zu einem greifbaren Erfolg ("frist-, form- und fruchtlos") und unterliegen keiner gerichtlichen Kontrolle. Während die Gegenvorstellung, mit der der Beschuldigte nur auf seine gegenteilige Rechtsauffassung verweist, i. d. R. wenigstens keine negativen Konsequenzen für das weitere Verfahren mit sich bringt, will die Dienstaufsichtsbeschwerde wohl überlegt sein. Sie belastet stets das Verfahrensklima und führt oft dazu, dass sich die angegriffenen Beamten ihrer Arbeit danach mit besonderer Akribie widmen.

Die Dienstaufsichtsbeschwerde kommt daher nur bei untragbarem persönlichem Verhalten eines Steuerfahnders in Betracht, z. B. bei beleidigenden Äußerungen, körperlicher Gewalt gegen Personen oder mutwilligen Sachbeschädigungen (Dienstaufsichtsbeschwerde im engeren Sinn). Über sie entscheidet der Dienstvorgesetzte des Beamten, also der Vorsteher des jeweiligen Finanzamts, bei dem die Steuerfahndung angesiedelt ist.

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde, mit der die Sachbehandlung als solche gerügt werden soll (Sachaufsichtsbeschwerde), ist regelmäßig erfolglos.[4] Nur bei absolut willkürlichen Maßnahmen wird es zu einer Korrektur bzw. Rücknahme verfahrensleitender Schritte kommen. In diesen Fällen dürfte ­zudem schon strafrechtlich relevantes Verhalten des betroffenen Fahnders im Raum stehen.[5] Ansonsten wird die Ermittlungsbehörde (Staatsanwaltschaft/Bußgeld- und Strafsachenstelle) bzw. ein Strafgericht im Lauf des weiteren Verfahrens ohnehin über die getroffenen Ermittlungsschritte und die Ergebnisse der Fahndungsprüfung befinden.

 

Rz. 66

Über eine dennoch erhobene Sachaufsichtsbeschwerde entscheidet nicht der unmittelbare Dienstvorgesetzte des Fahnders. Hierzu ist, abhängig von der Verfahrensherrschaft, vielmehr der Leiter der Bußgeld- und Strafsachenstelle bzw. die Staatsanwaltschaft berufen.[6] Vorgesetzte Behörden, also die OFD bzw. das FinMin, dürfen keine sachbezogenen Entscheidungen treffen; sie zählen nicht zu den "Finanzbehörden" i. S. d. § 386 Abs. 1, die auf diesem Gebiet ausschließlich entscheidungsbefugt sind.[7] Allerdings liegt bei ihnen die Kompetenz zum Erlass allgemeiner Leitlinien.

[2] S. schon BVerfG v. 13.5.1953, 1 BvR 74/51, BVerfGE 2, 287, 291.
[3] BVerfG v. 24.5.1977, 2 BvR 388/75, NJW 1977, 1489.
[4] Kreutziger, DStZ 1987, 346, 352f.
[5] Z. B. die Verfolgung Unschuldiger – § 344 StGB.
[6] Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl. 2020, § 208 Rz. 83; vgl. ausführlich Klos/Weyand, DStZ 1988, 616, 619.
[7] Ausführlich Klos/Weyand, DStZ 1988, 616.

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