1 Grundlagen

1.1 Anwendungsbereich

 

Rz. 1

Das Zwangsgeld ist das in der finanzbehördlichen Praxis am häufigsten angewendete Zwangsmittel, weil es für die Verwaltung den geringsten Aufwand verursacht und den Pflichtigen regelmäßig am wenigsten belastet[1].

Zwangsgeld kann sowohl zur Erzwingung steuerlicher Handlungspflichten als auch zur Durchsetzung steuerlicher Duldungs- oder Unterlassungspflichten eingesetzt werden. Die durchzusetzenden Handlungspflichten können sich auf vertretbare und auf unvertretbare Handlungen beziehen. Vertretbar sind nach der Legaldefinition des § 330 AO Handlungen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist, unvertretbar solche, die nur vom Pflichtigen vorgenommen werden können und damit von seinem Willen abhängen[2]. Duldungs- und Unterlassungspflichten sind stets unvertretbar. Während § 11 Abs. 1 S. 2 VwVG die Anwendung des Zwangsgelds zur Erzwingung vertretbarer Handlungen davon abhängig macht, dass die Ersatzvornahme untunlich ist, besonders weil der Pflichtige außerstande ist, die aus der Ausführung durch einen anderen entstehenden Kosten zu tragen, sieht § 328 AO keine entsprechende Einschränkung vor.

Zwangsgelder zur Erzwingung von Handlungen werden festgesetzt, wenn die Verpflichtung innerhalb der in der Androhung bestimmten Frist nicht erfüllt wird, Zwangsgelder zur Durchsetzung von Unterlassungs- und Duldungspflichten knüpfen an die Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung an[3]. Im ersten Fall wirkt das Zwangsgeld als Beugemittel, im zweiten Fall als Ungehorsamsfolge und zugleich als Abschreckungsmittel.

[1] S. § 328 AO Rz. 15.

1.2 Zwangsgeldanspruch

 

Rz. 2

Das Zwangsgeld ist eine steuerliche Nebenleistung i. S. v. § 3 Abs. 3 AO und damit ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. v. § 37 Abs. 1 AO. Es steht nach § 3 Abs. 4 S. 2 AO der Körperschaft zu, der die festsetzende Finanzbehörde[1] angehört.

Der Anspruch auf das Zwangsgeld entsteht mit der Festsetzung[2] und erlischt nach § 47 AO durch Zahlung[3], Aufrechnung[4], Erlass[5] und Zahlungsverjährung[6]. Er erlischt ferner mit dem Vollzug der Ersatzzwangshaft[7] und mit dem Tod des Pflichtigen[8]. Die Erfüllung der Handlungspflicht vor Zahlung oder Beitreibung des Zwangsgelds bringt den Zwangsgeldanspruch zwar nicht zum Erlöschen, hat aber zur Folge, dass das Zwangsgeld nicht mehr beigetrieben wird[9].

[1] S. § 328 AO Rz. 10.
[9] Vgl. § 335 AO.

2 Höhe des Zwangsgelds

2.1 Höchstgrenze

 

Rz. 3

§ 329 AO legt die Höchstgrenze für das einzelne Zwangsgeld auf 25.000 EUR fest. Bei der Erzwingung mehrerer Verpflichtungen kann die Addition der einzelnen Zwangsgelder den Höchstbetrag übersteigen[1].

Bei Fortdauer des pflichtwidrigen Verhaltens oder erneuter Zuwiderhandlung können die Androhung und Festsetzung wiederholt werden. Auch für die einzelne Wiederholung gilt die Höchstgrenze des § 329 AO. Die Summe wiederholt festgesetzter Zwangsgelder ist hingegen nicht begrenzt[2]. Schranken ergeben sich insoweit nur aus § 328 Abs. 2 S. 2 AO[3].

 

Rz. 4

Androhung und Festsetzung des Zwangsgelds liegen im Ermessen der Behörde. Bei der Bemessung hat sie sich an dem Zweck des Zwangsgelds zu orientieren, den Pflichtigen zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Das Zwangsgeld muss daher für den Pflichtigen wirtschaftlich so fühlbar sein, dass er es voraussichtlich vorziehen wird, die Verpflichtung zu erfüllen. Andererseits darf es nach § 328 Abs. 2 S. 1 AO über diesen Zweck auch nicht hinausgehen[4]. In der Praxis eröffnet sich damit für die Bemessung des Zwangsgelds ein großer Entscheidungsspielraum, den die Finanzbehörden in aller Regel nur sehr zurückhaltend nutzen[5]. Üblicherweise liegt die Spanne bei der erstmaligen Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld zwischen 25 und 250 EUR[6].

 

Rz. 5

Für die Bemessung des Zwangsgelds können die in § 152 Abs. 2 S. 2 AO für die Bemessung des Verspätungszuschlags genannten Ermessenskriterien als Anhaltspunkte herangezogen werden[7]. Zu berücksichtigen sind daher insbesondere:

  • die Hartnäckigkeit der Pflichtverletzung, ggf. unter Berücksichtigung früherer Pflichtverstöße. Daraus folgt, dass bei wiederholter Zwangsgeldanwendung i. d. R. ein höherer Betrag als im vorhergehenden Fall angedroht und festgesetzt werden kann[8];
  • die wirtschaftliche Bedeutung der durchzusetzenden Pflicht, bei der Erzwingung der Abgabe von Steuererklärungen also die Höhe der voraussichtlichen Steuerfestsetzung bzw. Steuernachzahlung[9];
  • der Grad des Verschuldens, wobei Entschuldigungsgründe nicht von Amts wegen aus den Steuerakten zu ermitteln sind[10];
  • eventuelle Kumulierungswirkungen mit anderen im Zusammenhang mit der Pflichtverletzung bereits festgesetzten Strafen oder anderen Sanktionen[11];
  • die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Pflichtigen[12] insofern, als sie die wirtschaftliche Fühlbarkeit des Zwangsmittels für ihn beeinflusst. Wegen der Möglichkeit der Ersatzzwangshaft steht die Vermögenslosigkeit des Pflichtigen der Androhung und Festsetzung von Zw...

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