Rz. 5

Die Vorschrift nennt zwei Voraussetzungen dafür, dass die Finanzbehörde eine positive Ermessensentscheidung für eine vollständige oder teilweise Stundung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis treffen kann:

  • Die Einziehung bei Fälligkeit muss eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten.
  • Der Anspruch darf durch die Stundung nicht gefährdet erscheinen.

Beide Voraussetzungen, die sich häufig konträr gegenüberstehen und deswegen gegeneinander abgewogen werden müssen[1], sind (kumulativ) nebeneinander zu erfüllen (s. v. Groll, in HHSp, AO, § 222 Rz. 160; Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 18). Beide Voraussetzungen sind als unbestimmte Rechtsbegriffe ausgestaltet und lassen zwar einen Beurteilungsspielraum, aber keinen Ermessensspielraum zu. Nur bei ihrem Vorliegen kann die Finanzbehörde eine Ermessensentscheidung fällen. Die Stundungsentscheidung ist daher keine reine Ermessensentscheidung. Ein Ermessensspielraum bleibt, wenn die Stundungsvoraussetzungen gegeben sind, nur noch für die des Ob der Gewährung. Dieser Spielraum kann so weit eingeengt sein, dass alle anderen Entscheidungen als die Stundungsgewährung ermessensfehlerhaft wären[2].

Wegen der Anforderungen an die erhebliche Härte, die bei den persönlichen Stundungsgründen (vgl. Rz. 8–11) die Ausschöpfung der Kreditmöglichkeiten voraussetzt, und weil das Fehlen einer Gefährdung des Anspruchs unverzichtbar ist, sind beide Voraussetzungen in relativ wenigen Fällen der persönlichen Stundungsgründe nebeneinander gegeben. Die Finanzbehörden gewähren jedoch i. d. R. großzügiger Stundung sowohl aus persönlichen als auch aus sachlichen Gründen, um die Stpfl. nicht zu Vollstreckungsschuldnern werden zu lassen, denen trotz Gefährdung des Anspruchs und Fehlens einer Sicherheit Vollstreckungsaufschub gewährt werden könnte und würde. Diese Stundungen ohne Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen sind rechtswidrig. Gegen eine großzügigere Auslegung, als sie vor allem in der Rspr. zu § 127 RAO und § 222 gefunden wird, wäre nichts einzuwenden, zumal die Stundungszinsen ein Korrektiv bilden. Ein großzügiges Hinweggehen über die von der Rspr. gefundenen engeren Auslegungsergebnisse führt allerdings die Gefahr eines willkürlichen Handhabens im Einzelfall mit sich, wenn sich die Finanzbehörden nur hin und wieder auf diese Voraussetzungen berufen.

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