Rz. 23

Nach § 138e Abs. 1 Nr. 2 AO liegt ein Kennzeichen vor, das unter den Voraussetzungen des Main Purpose Tests zu einer mitteilungspflichtigen Steuergestaltung führt, wenn eine standardisierte Dokumentation verfügbar ist oder eine standardisierte Struktur der Gestaltung vorliegt. Dieses Kennzeichen soll Gestaltungen erfassen, die ohne wesentliche Änderungen in einer Mehrzahl von Fällen in jeweils gleicher Weise umgesetzt werden können. Marktfähige Gestaltungen i. S. d. § 138h Abs. 1 AO sind daher immer auch standardisiert und führen zu einem Kennzeichen.[1] Die Standardisierung kann die formale Seite (Dokumentation) und den Inhalt (Struktur) der Gestaltung betreffen. Dieses Merkmal liegt auch vor, wenn aus einer auf den Einzelfall bezogenen Gestaltung eine standardisierte Dokumentation oder Struktur entwickelt wird, die in einer Mehrzahl von Fällen verwendet werden kann.[2]

 

Rz. 24

Der Begriff der Dokumentation bezieht sich auf die formelle Beschreibung der Gestaltung, die in schriftlicher oder elektronischer Form vorliegen muss. Sie besteht aus dem Vertragswerk und sonstigen Dokumenten, die die Gestaltung beschreiben und zur Information des Nutzers bestimmt sind. Eine Dokumentation in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die wesentlichen und für die Erlangung des Steuervorteils maßgebenden Teile der Gestaltung beschrieben werden. Dagegen ist nicht die Dokumentation aller Nebenaspekte der Gestaltung notwendig. Eine Dokumentation, die zum Vorliegen eines Kennzeichens führt, liegt daher schon dann vor, wenn der Nutzer aufgrund der in ihr enthaltenen Beschreibung nachvollziehen kann, wie der Steuervorteil erreicht werden soll. Eine Dokumentation aller Einzelheiten, die für diese Beurteilung nicht notwendig sind, ist daher nicht erforderlich. Dagegen liegt kein Kennzeichen vor, wenn die Dokumentation so unvollständig ist, dass eine Beurteilung, wie der Steuervorteil erreicht werden soll, nicht möglich ist. Ebenso liegt kein Kennzeichen vor, wenn überhaupt keine Dokumentation vorhanden ist.

 

Rz. 25

Die zweite Alternative dieses Kennzeichens betrifft die Struktur der Gestaltung. Dies betrifft die materiellen Aspekte der Gestaltung, allerdings auch hier nur die für die Erreichung des Steuervorteils wesentlichen Strukturbestandteile. Gemeint sind hiermit die einzelnen Schritte bzw. Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen, damit der beabsichtigte Steuervorteil tatsächlich eintritt. Unter einer "Struktur" ist eine Mehrzahl von Einzelmaßnahmen zu verstehen, die hintereinander geschaltet und aufeinander bezogen zu einem bestimmten steuerlichen Ergebnis führen. Es muss sich immer um eine Mehrzahl, d. h. mindestens zwei Maßnahmen oder Schritte handeln. Eine einzelne Maßnahme, die zu einem bestimmten steuerlichen Ergebnis führt, ist keine "Struktur" in diesem Sinn. So ist z. B. eine Gewinnausschüttung keine Struktur, da sie keine Mehrzahl von Maßnahmen enthält.[3] Dagegen ist es nicht Kennzeichen einer Struktur, dass die hintereinander geschalteten Maßnahmen bewusst rechtlich verkompliziert werden oder dass kein eigenständiger wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird.[4] Ist die Struktur der Gestaltung in diesem Sinne standardisiert, ist es ohne Bedeutung, ob eine standardisierte Dokumentation in Form von Vertragsmustern vorliegen oder verwendet werden.[5] Zur Standardisierung Rz. 27.

 

Rz. 26

Es genügt, dass entweder die Dokumentation oder die Struktur der Gestaltung standardisiert sind. Dies wird durch das Wort "oder" ausgedrückt. Anhang IV Teil II Buchst. A Nr. 3 der Richtlinie v. 25.5.2018[6] hätte auch eine Verbindung mit "und" zugelassen, sodass nur dann ein Kennzeichen vorgelegen hätte, wenn Dokumentation und Struktur standardisiert wären. Dies hat der Gesetzgeber aber nicht übernommen.[7] Das Gesetz erläutert den Begriff der Standardisierung näher dadurch, dass die Dokumentation und die Struktur der Gestaltung für mehr als einen Nutzer verfügbar sind, ohne dass sie für die Nutzung wesentlich individuell angepasst werden muss. Die Dokumentation oder die Struktur der Gestaltung müssen also in dem Sinn abstrakt sein, als sie nicht wesentlich auf die Besonderheiten des Einzelfalls abstellen. Dokumentation oder Struktur müssen also für mehr als einen Stpfl. ohne wesentliche Änderungen nutzbar sein. Wird eine solche standardisierte Dokumentation oder Struktur entwickelt, wird dies immer durch einen Intermediär geschehen. Möglich ist aber auch, dass ein Unternehmen eine Gestaltung zur Eigennutzung entwickelt, sie dann aber standardisiert und anderen Unternehmen anbietet.

 

Rz. 26a

Struktur oder Dokumentation müssen tatsächlich standardisiert sein, da sie nur dann ohne wesentliche Änderungen "verfügbar" sind. Ein für einen Einzelfall entwickeltes Konzept, das "standardisierbar" ist, fällt nicht unter das Kennzeichen, solange die Standardisierung nicht erfolgt ist. Wird aus dem Einzelfall ein standardisiertes Konzept entwickelt, fällt der bereits implementierte Einzelfall nicht unter das Kennzeichen, sondern nur die Verwendung durch weit...

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