Rz. 1

§ 12 AO steht im Zweiten Abschnitt des Ersten Teils der AO und gehört damit zu den grundlegenden Normen des "Allgemeinen Teils". Die Überschrift des zweiten Abschnitts "Steuerliche Begriffsbestimmungen" führt irre; es handelt sich bei § 12 AO nicht (nur) um eine Legaldefinition des Begriffs der Betriebstätte, der für die besonderen Regelungen der AO von Bedeutung ist, sondern um einen der wesentlichen materiellen Begriffe des Steuerrechts. Der Begriff der Betriebstätte ist für die Anwendbarkeit einer Reihe von steuerrechtlichen Regelungen sowie die Abgrenzung des Bereichs der gemeindlichen Steuern und die Abgrenzung der Steuerhoheiten im internationalen Bereich von konstituierender Bedeutung.[1]

Erläuterungen zum Begriff der Betriebstätte sind in Abschn. 22 GewStR sowie in den "Grundsätzen der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebstätten international tätiger Unternehmen" v. 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076 (Betriebstätten-Verwaltungsgrundsätze) enthalten.

 

Rz. 2

Der Begriff der Betriebstätte ist im Zusammenhang mit dem Begriff des ständigen Vertreters in § 13 AO zu sehen; beide Vorschriften dienen in gleicher Weise der Abgrenzung von Steuerhoheiten. Der enge Zusammenhang beider Begriffe ergibt sich auch daraus, dass in den DBA der ständige Vertreter regelmäßig nicht als selbstständiger Anknüpfungspunkt, sondern als Unterfall der Betriebstätte gesehen wird.

Der Begriff der Betriebstätte weist enge, wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbare Zusammenhänge mit § 14 AO auf. Eine selbstständige nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen setzt das Bestehen einer oder mehrerer Betriebstätten voraus; die Tätigkeit konstituiert zumindest eine "Geschäftsleitung" nach § 12 S. 2 Nr. 1 AO. Der Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs führt wiederum zu den Begriffen des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft, des Gewerbebetriebs und der freiberuflichen Tätigkeit. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der nicht nur der Einnahmeerzielung, sondern der Gewinnerzielung dient, gehört zu einer der drei genannten Einkunftsarten. Es ergibt sich somit eine Regelungskette, die – aufbauend auf der Betriebstätte als der kleinsten Einheit – über den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bis zum Betrieb einer Gewinneinkunftsart führt. Daher besteht ein Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG aus einer oder mehreren Betriebstätten i. S. d. § 12 AO.

 

Rz. 3

Innerhalb des § 12 AO enthält S. 1 die allgemeine Definition der Betriebstätte. S. 2 enthält Regelbeispiele, die eine doppelte Funktion haben. Als Erläuterungen und Konkretisierungen des S. 1 sollen sie die Anwendung des S. 1 erleichtern und stellen daher Anwendungen der allgemeinen Definition dar. Darüber hinaus sind jedoch die in S. 2 genannten Einrichtungen immer Betriebstätten, auch wenn im Einzelfall die Voraussetzungen der allgemeinen Definition des S. 1 nicht vorliegen.[2] Insoweit stellt S. 2 eine konstitutive Erweiterung der Definition des S. 1 dar.

Die Aufzählung des S. 2 ist nicht abschließend, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt; wäre sie abschließend, wäre die allgemeine Definition des S. 1 überflüssig. Feste Geschäftseinrichtungen, die nicht in S. 2 aufgezählt sind, können daher nach S. 1 Betriebstätten sein.

[1] Vgl. Rz. 6.
[2] BFH v. 28.7.1993, I R 15/93, BStBl II 1994, 148, wonach z. B. Bauausführungen und Montagen nach S. 2 Nr. 8 keine "feste Geschäftseinrichtung" zu haben brauchen.

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