Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Steuerbegünstigung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG von Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs erbracht werden

 

Leitsatz (amtlich)

Die auf die Linderung der Hilfsbedürftigkeit gerichteten Leistungen einer begünstigten Körperschaft kommen den hilfsbedürftigen Personen bereits dann "zugute" (s. § 66 Abs. 3 AO), wenn die konkreten Leistungen bei der betroffenen Person - sei es auch ohne Vertragsverhältnis und ohne faktischen Kontakt zwischen Person und Leistungserbringer - ihren Niederschlag finden, weil sie notwendiger Bestandteil der erforderlichen Gesamtbehandlung sind.

Bei der Frage der Begünstigung solcher Leistungen ist somit nicht (mehr) danach zu differenzieren, ob die gewünschten Auswirkungen der Leistungen darauf beruhen, dass die Körperschaft im Rahmen eines direkten Vertragsverhältnisses ("rechtlich unmittelbar"), im Rahmen eines direkten physischen Kontakts ("faktisch unmittelbar") oder letztlich nur im Rahmen eines mittelbaren Wirkungsverhältnisses zum Patienten tätig geworden ist.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8a; AO § 66

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.04.2023; Aktenzeichen V R 14/22)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die umsatzsteuerliche Behandlung von Blut- und Gewebetransporten, welche die Klägerin zwischen Krankenhäusern/Ärzten einerseits und Laboren andererseits durchführte, ohne dabei Vertragsverhältnisse mit den jeweiligen Patientinnen und Patienten begründet zu haben.

Kläger ist der Verein A e.V. Er ist eine Körperschaft, die nach ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt (§§ 51 - 68 Abgabenordnung, AO). Ziffer 2 der aktenkundigen Satzung des Klägers lautet:

2.1. Zweck des Vereins ist es,

  1. verletzten, kranken und behinderten Menschen Hilfe zu leisten und eine Transportmöglichkeit mit vereinseigenen Fahrzeugen zu schaffen,
  2. Pflege und Betreuung von kranken, behinderten und alten Menschen zu übernehmen,
  3. bei Not- und Katastrophenfällen durch Einsatz von Mitarbeitern und Gerät Hilfe zu leisten,
  4. Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für jedermann auf dem Gebiet des Sanitätswesens (z. B. Erste-Hilfe, lebensrettende Sofortmaßnahmen für Führerscheinbewerber, Herz-Lungen-Wiederbelebung) und der Pflege durchzuführen,
  5. die Aus- und Fortbildung von Rettungsdienst-, Sanitäts- und Pflegepersonal durchzuführen,
  6. durch Veröffentlichungen und öffentliche Veranstaltungen das Bewusstsein in der Bevölkerung für Fragen des Sozial- und Gesundheitswesens, insbesondere bezüglich der Betreuung und Pflege behinderter, kranker und pflegebedürftiger Menschen jeden Alters, im Rettungswesen, im Bereich der Jugendpflege und sozialen Hilfe zu fördern,
  7. behinderte und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen in Fragen der Betreuung und Pflege zu beraten.

Der Verein ist als Organisation der Freien Wohlfahrtspflege und der freien Jugendhilfe Mitglied im Deutschen paritätischen Wohlfahrtsverband. (…).

Ziffer 3 der aktenkundigen Satzung des Klägers lautet:

Selbstlosigkeit

3.1. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige bzw. mildtätige Wohlfahrtszwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung vom 1. Januar 1977. Er ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. (…).

In den Streitjahren führte der Kläger u. a. Transporte von Blut und Gewebeproben zwischen Arztpraxen/Krankenhäusern auf der einen Seite und Laboren auf der anderen Seite durch. Die Fahrzeuge waren teilweise mit blauem Rundumlicht und Martinshorn ausgerüstet. Vertragliche Beziehungen bestanden dabei lediglich zwischen dem Kläger und den Krankenhäusern, Ärzten bzw. den Laboren. Zu den Patientinnen und Patienten, deren Proben transportiert wurden, bestanden keine Vertragsbeziehungen.

In seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2014 gab der Kläger u. a. Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von … € und Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von … € an. Die Erklärung stand einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 AO). In seiner Umsatzsteuererklärung 2015 gab der Kläger u. a. Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von … € und Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von … € an. Die Erklärung stand einer Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 AO). Eine Umsatzsteuererklärung für 2016 ist nicht aktenkundig.

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 27. Dezember 2017 fand beim Kläger bis zum 10. April 2019 eine Betriebsprüfung (mit Unterbrechungen) statt. Der Prüfer vertrat dabei die Auffassung, dass die oben beschriebenen Umsätze aus dem "Blut- und Laborservice" zu Unrecht mit 7 % der Umsatzsteuer unterworfen worden seien. Es handle sich um Umsätze aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, die mit dem vollen Steuersatz von 19 % besteuert werden müssten. Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG komme nicht in Betracht. Denn dafür wäre es erforderlich gewesen, dass die ausgeführten Leistungen in ihrer tatsächlichen Ausgestaltun...

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