Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Schaffung der technischen Voraussetzungen für eine elektronische Übermittlung der Steuererklärungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Prüfung, ob dem Steuerpflichtigen gem. § 150 Abs. 8 AO ein Anspruch auf Verzicht auf die Übermittlung von Steuererklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit zusteht, ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebes abzustellen, der die Übermittlungspflicht auslöst; dabei ist neben dessen Einkünften auch das Betriebsvermögen zu berücksichtigen.

2. Erzielt der Betrieb keine positiven laufenden Einkünfte, ist dem Steuerpflichtigen die Schaffung der technischen Voraussetzungen für eine elektronische Übermittlung der Steuererklärungen wirtschaftlich nicht zumutbar, wenn er dafür 8 bis 10 % des gesamten Vermögensbestandes des Betriebes aufwenden müsste.

 

Normenkette

AO § 150 Abs. 8; KStG § 31a Abs. 1a; GewStG § 14a

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch hat, von der Verpflichtung zur elektronischen Abgabe der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2019 befreit zu werden.

Die Klägerin, eine im Jahr 2011 gegründete juristische Person in der Rechtsform einer GmbH, betätigt sich auf dem Gebiet der Finanzierung von Aktiv- und Passivprozessen von Dritten durch Kostenübernahme gegen Erfolgsbeteiligung. Im Streitjahr 2019 erzielte sie - wie bereits durchgehend seit 2013 - keinerlei Umsätze und erwirtschaftete einen Verlust in Höhe von 256 EUR. Ausweislich ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 2019 verfügte sie über ein Guthaben auf einem Bankkonto in Höhe von 19.161,96 EUR; weitere Aktiva sind - abgesehen von einer Einlageforderung gegen Gesellschafter in Höhe von 12.500 EUR - nicht ausgewiesen.

Ihre Körperschaftsteuer- und die Gewerbesteuererklärung für 2019 reichte die Klägerin am 21. August 2020 per Telefax beim Beklagten ein. In dem beigefügten Anschreiben teilte sie mit, dass ihr eine elektronische Übermittlung der Erklärungen nicht möglich sei, da sie nicht über die dafür erforderlichen technischen Einrichtungen verfüge und es ihr angesichts ihrer Ertragslage auch nicht zuzumuten sei, solche anzuschaffen.

Mit Schreiben vom 28. September 2020 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie seiner Auffassung nach verpflichtet sei, die Erklärungen in elektronischer Form einzureichen, und bat sie darum, dies bis zum 26. Oktober 2020 nachzuholen. Zugleich gab er der Klägerin Gelegenheit, zu einer etwaigen persönlichen oder wirtschaftlichen Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung vorzutragen.

Daraufhin teilte die Klägerin unter Hinweis auf das Bundesfinanzhof -BFH- Urteil vom 16. Juni 2020 VIII R 29/19 (BFHE 269, 289, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2021, 290) mit, dass bei ihr ein Fall der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit im Sinne von § 150 Abs. 8 Abgabenordnung -AO- gegeben sei. Denn um die Erklärungen elektronisch zu übermitteln, müsse sie Kosten für die Anschaffung der erforderlichen Hard- und Software sowie deren Einrichtung und Wartung sowie für eine etwaige Hilfestellung bei Fehlfunktionen aufwenden. Das sei für sie ohne jegliche Einnahmen nicht zu bewerkstelligen.

Der Beklagte lehnte den - von ihm so verstandenen - Antrag der Klägerin, die Steuererklärungen papierförmig abgeben zu dürfen, mit einem Bescheid ohne Datum ab, der am 1. Dezember 2020 zur Post gegeben wurde. Die Verpflichtung zur Abgabe der Erklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz ergebe sich aus § 31 Abs. 1 a Körperschaftsteuergesetz -KStG- bzw. aus § 14a Gewerbesteuergesetz -GewStG-. Gründe, darauf ausnahmsweise zu verzichten, seien nicht gegeben. Es sei nicht zu erkennen, dass eine solche Übermittlung einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand verursachte oder die Klägerin angesichts der individuellen Kenntnisse oder Fähigkeiten der für sie handelnden Personen diese Übermittlungsform nicht nutzen könne. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit sei schon deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin elektronisch erstellte Schreiben an das Finanzamt faxen könne, jedenfalls die dafür erforderlichen Einrichtungen also gegeben seien. Zudem sei - was zutrifft - die Umsatzsteuererklärung für 2019 elektronisch übermittelt worden. Die ausstehenden Erklärungen könnten über das Elster-Online-Portal kostenlos an das Finanzamt übermittelt werden. Für das Vorliegen einer persönlichen Unzumutbarkeit seien Anhaltspunkte weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Allerdings befreite der Beklagte die Klägerin von der Verpflichtung, die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für 2019 elektronisch zu übermitteln. Insofern bestehe keine kostenfreie Übermittlungsmöglichkeit.

Dagegen legte die Klägerin am 16. Dezember 2020 Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf die Grundsätze der von ihr bereits zuvor angeführten BFH-Rechtsprechung. In tatsächlicher Hinsicht stellte sie klar, dass sie über keinerlei Büroausstattung verfüge und ihre Schreiben - was i...

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