Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerfreiheit bei Leistungen, welche im Rahmen des Betriebs einer Seniorenwohnanlage auf Basis verschiedener Verträge erbracht werden

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der (partiellen) Umsatzsteuerfreiheit bei Leistungen, welche im Rahmen des Betriebs einer Seniorenwohnanlage auf Basis verschiedener Verträge erbracht werden. Trennung der verschiedenen Leistungen (Wohnraumüberlassung/Betreuungsleistung / sonstige Zusatzleistungen) und separate steuerliche Beurteilung; Ausführung zu § 4 Nr. 16 UStG in seiner ab 2009 geltenden Fassung sowie zur übergangsweisen Anwendung der vorherigen Fassung und zur Anwendung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in der Zeit vor 2009, in der Zeit ab 2009 und in der Zeit ab 2009 unter Berücksichtigung der übergangsweisen Anwendbarkeit der alten Rechtslage.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 16

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über diverse Feststellungen, welche im Rahmen einer Betriebsprüfung (BP) beim Antragsteller für die Streitjahre 2009 - 2011 getroffen und vom Antragsgegner in den streitgegenständlichen Bescheiden umgesetzt wurden.

Der Antragsteller meldete zum 1. Juli 2009 den Betrieb „Betreutes Wohnen“ (Haus A) in C an und erzielte mit diesem Betrieb gewerbliche Einkünfte. Die gewerblichen Einkünfte wurden nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG - ermittelt und gesondert festgestellt.

Das Haus A verfügt über 18 Appartements, die zwischen 16,90 qm und 40,90 qm groß sind. Bei dem Haus handelt es sich nicht um ein Heim i.S.d. § 1 des Heimgesetzes (HeimG) und auch das Wohn- und Betreuungsgesetz findet keine Anwendung. Nach Angaben des Antragstellers wohnten im Streitzeitraum im Haus A ausschließlich hilfs- und pflegebedürftige Personen sowie Bezugsberechtigte nach § 61 SGB XII, die Leistungen erhalten, die eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbunden sind. Nach vorgelegten Unterlagen wurde 14 Personen eine Pflegestufe zugewiesen. Die Pflege wurde von geeigneten Personen erbracht (z.B. Diakonie E, ehrenamtlich tätige Angehörige). Diesbezüglich wurde mit den Bewohnern, die von der Diakonie E betreut wurden, ein Pflegevertrag mit der Diakonie abgeschlossen.

Der Kläger erbrachte seine Leistungen auf Grundlage von sog. Seniorenmietverträgen einerseits und separaten Wahlserviceverträgen andererseits.

  • Die Seniorenmietverträge hatten zunächst die Vermietung des jeweiligen Zimmers mit entsprechender Ausstattung zum Gegenstand. Die Zimmer waren alternativ bspw. wie folgt ausgestattet: Balkon/Terrasse, Notrufanlage, Telefonanschluss, Bad, Pantryküche. Im besonderen Fall konnte zudem die Einrichtung vom Vermieter durch Pflegebett, Nachtschrank, Kleiderschrank, Fernseher, Tisch, Lampe etc. unterstützt werden; das Haus hielt außerdem Gemeinschaftsräume bereit. Die Mietverträge waren jedoch nicht einheitlich; zudem sind nicht alle Mietverträge vorhanden.

    Die vereinbarte Miete bestand grds. aus einem qm-Preis x der Grundfläche des Appartements sowie teilweise aus einer sog. „Betreuungspauschale“. Die damit abgegoltenen Leistungen des Antragstellers beinhalteten neben der Raumüberlassung weitere Leistungen wie z.B. Heizung, Wasser, Strom, Abfall, 1x wöchentliche Fußbodenreinigung, Hausmeisterleistung wie Auswechseln einer Glühbirne, Aufhängen eines Bildes, Pflege der Gemeinschaftsanlagen und des Gartens, Beratung und Organisation von Hilfsmitteln, Vermittlung von Arzt, Therapeuten, Apothekendienst, Koordination eines harmonischen Miteinanders im Haus, kleine Dienstleistungen im Appartement, Umzugshilfe.

    Die Handhabung der sog. „Betreuungspauschale“ war dabei nicht einheitlich. Z.T. wurde dieser Pauschale ein vertraglicher Anteil am Gesamtpreis von 100,- EUR zugewiesen; teilweise wurde die Pauschale auch auf einem separaten Dokument vereinbart; teilweise wiederum wurde lediglich eine Gesamtmiete ohne Pauschale vereinbart und bestimmte „Betreuungsleistungen“ als Bestandteil der Vertragsleistungen im Vertragsdokument beschrieben. Als „Betreuungsleistungen“ in diesem Sinne wurden u.a. folgende Leistungen benannt (wobei auch hier die Handhabung nicht einheitlich war): Tag und Nacht besetztes Notruftelefon, Erste Hilfe im Notfall vor Ort, tägliche Wohlbefindlichkeitskontrolle, 2x mtl. Hilfe beim Bettbeziehen.

  • Die von den Mietverträgen gesondert angebotenen (Wahl-)Leistungen wurden je nach Bedarf und freier Entscheidung der Bewohner auf Basis separater Wahlserviceverträge vereinbart. In diesem Zusammenhang waren bspw. folgende Leistungen wählbar, wobei der Leistungsumfang grds. unabhängig vom Mietvertrag eingeschränkt oder erweitert werden konnte: Fahr-, Begleitservice, Ernährungsberatung, Freizeitangebote, Einzelspaziergang, Mahlzeiten (Frühstück / Mittag / Abendessen), Wäschedienst, Zimmerreinigung.

In seinen Steuererklärungen für die Streitjahre machte der Antragsteller folgende Angaben:

  • 2009: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gewinn): 32.991 EUR
  • 2010: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gewinn): 62.700 EUR
  • 2011: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gewinn): 73.800 EUR

Die...

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