Leitsatz

1. Der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht erfüllt als Rechtsverzicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. steht dem nicht entgegen.

2. Eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts – sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. oder nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a.F. als auch beim späteren Verzicht des Berechtigten – ist bei der Besteuerung des Nießbrauchsverzichts durch den Abzug des bei der Besteuerung des Erwerbs des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen (Steuer-)Werts des Nutzungsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht zu beseitigen.

 

Normenkette

§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, § 10 Abs. 6 Satz 5, § 25 Abs. 1 ErbStG vor 2009

 

Sachverhalt

Der Kläger schenkte im Jahr 2002 seinem Sohn (S) einen Gesellschaftsanteil an einer GmbH und behielt sich den Nießbrauch an dem Anteil vor. Das FA berücksichtigte bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb die Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG und ließ den Nießbrauch bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs unberücksichtigt. Mit Wirkung zum 1.1.2008 verzichtete der Kläger unentgeltlich auf das ihm zustehende Nießbrauchsrecht und übernahm die dadurch ausgelöste Schenkungsteuer. Bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Nießbrauchsverzicht folgte das FA nicht der Ansicht des Klägers, der bei der Anteilsübertragung gegebene Wert des Nießbrauchs müsse in vollem Umfang von dessen Wert zum Zeitpunkt des Verzichts abgezogen werden. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Münster, Urteil vom 10.1.2013, 3 K 2461/11 Erb, Haufe-Index 3598221, EFG 2013, 533).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und den bei der Steuerfestsetzung für den Anteilserwerb gem. § 10 Abs. 6 ErbStG abgezogenen Betrag aus der Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht herausgenommen.

 

Hinweis

Der Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht unterliegt als freigebige Zuwendung der Schenkungsteuer. Das Abzugsverbot des § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. steht der Steuerbarkeit nicht entgegen. Soweit sich der Nießbrauch auf nach § 13a ErbStG begünstigtes Vermögen (z.B. einen GmbH-Anteil) bezieht, ist hinsichtlich des Erwerbs des begünstigten Vermögens das Abzugsverbot des § 10 Abs. 6 ErbStG zu beachten. Daraus ergibt sich bei einem späteren Nießbrauchsverzicht die Frage, ob und in welchem Umfang eine steuerliche Doppelerfassung dieses Erwerbs – zum einen durch Nichtberücksichtigung als Abzugsposten im Rahmen des § 25 Abs. 1 ErbStG bzw. durch Nichtabzug gem. § 10 Abs. 6 ErbStG und zum anderen durch Besteuerung des Nießbrauchsverzichts – zulässig ist. Im Kern ist damit die Reichweite des das ErbStG beherrschenden Bereicherungsprinzips aufgeworfen.

1. Schon bisher war anerkannt, dass der Anteil am Wert des Nießbrauchs, der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen wurde, nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen ist. Dies gebietet das Bereicherungsprinzip, um eine anderenfalls eintretende Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts auszuschließen.

2. Problematisch war im Streitfall, ob Entsprechendes auch für den Wert des Nießbrauchs gilt, der bei der Schenkungsteuer für den Erwerb nach § 13a ErbStG begünstigten Vermögens nicht nach § 10 Abs. 6 ErbStG abzuziehen war. Dies hatten FA und FG mit der Begründung verneint, der Nießbrauch sei, soweit er auf gem. § 13a ErbStG steuerfreies Vermögen entfalle, steuerlich unbelastet. Damit sei eine steuerliche Doppelerfassung im Rahmen der Besteuerung des Nießbrauchsverzichts ausgeschlossen.

Dem ist der BFH aus Gründen des Bereicherungsprinzips nicht gefolgt. Das Recht zur Besteuerung des Nießbrauchsverzichts ist auch in diesem Fall durch den Nichtabzug bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Erwerb nach § 13a ErbStG begünstigten Vermögens verbraucht. Für die Besteuerung muss letztlich die Bereicherung maßgebend sein, die sich beim Erwerb eines nach § 13a ErbStG begünstigten Vermögens ohne Nießbrauchsvorbehalt ergeben hätte. Unbeachtlich ist, dass dem Nießbrauchsberechtigten dieses Recht bis zum Nießbrauchsverzicht zustand. Für die Besteuerung ist allein die Bereicherung des Bedachten und nicht die des Schenkers maßgebend. Im Ergebnis gelten damit auch für nach § 13a ErbStG begünstigte Erwerbe hinsichtlich des nach § 10 Abs. 6 ErbStG unberücksichtigten Betrags die zu § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. geltenden Grundsätze.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.5.2014 – II R 7/13

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