Übersicht über die Voraussetzungen und Rechtsprechung des BGH

[Ohne Titel]

RAin/FAinStR Natascha Katemann, Betriebswirtin (B.Sc.)[*]

Sind Besteuerungsgrundlagen im Besteuerungsverfahren nicht zu ermitteln, so werden sie vom FA geschätzt. Wenn auch ein Steuerstrafverfahren gegen den Mandanten anhängig ist, stellt sich die Frage, ob und wie die Schätzungen dort behandelt werden. Bei der steuerrechtlichen Beurteilung bestimmt der BFH die Regeln. In strafrechtlicher Hinsicht sind die grundlegenden Voraussetzungen vom BGH aufgestellt worden, die hier nebst Handlungsempfehlungen dargestellt werden.

[*] Die Verfasserin ist als Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht in der Kanzlei BENDER HARRER KREVET Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in Freiburg tätig.

I. Einleitung

Sind die Besteuerungsgrundlagen im Besteuerungsverfahren nicht zu ermitteln, so werden sie regelmäßig durch das FA geschätzt. Wenn neben dem Besteuerungsverfahren auch ein Steuerstrafverfahren gegen den Mandanten anhängig ist, stellt sich die Frage, ob und wie die Schätzungen im Steuerstrafverfahren behandelt werden.

Im Gegensatz zur steuerrechtlichen Beurteilung, bei der der Bundesfinanzhof (BFH) die Regelungen für eine Schätzung aufstellt, sind die grundlegenden Voraussetzungen in strafrechtlicher Hinsicht in den letzten Jahren vom Bundesgerichtshof (BGH), Senaten für Strafrecht, aufgestellt worden.

Im Folgenden sollen diese Voraussetzungen dargestellt werden und Handlungsempfehlungen für die Praxis gegeben werden.

II. Voraussetzungen

1. Ständige Rechtstprechung des BGH

In seinem Urteil vom 29.0.2014 (BGH v. 29.1.2014 – 1 StR 561/13) hat der BGH grundlegend die Voraussetzungen der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen im Steuerstrafverfahren geregelt. Es muss feststehen, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, eine Berechnung der Besteuerungsgrundlagen jedoch aufgrund ungewisser tatsächlicher Verhältnisse nicht möglich ist.

2. Erfüllung des Besteuerungstatbestands

Tatbestandserfüllung: Bevor überhaupt eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfolgen kann, muss nach st. Rspr. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass der Steuerpflichtige bzw. im Falle des Strafverfahrens der Beschuldigte einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat.

Es muss mithin nach § 370 Abs. 1 AO feststehen, dass der Steuerpflichtige gegenüber den Finanzbehörden entweder über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen hat.

Beraterhinweis Eine Schätzung ist nur möglich, wenn nach tatrichterlicher Feststellung feststeht, dass eine Besteuerung hätte erfolgen müssen.

3. Ungewissheit über das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen

Keine Berechnung möglich: Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ist nur dann möglich, wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand der vorliegenden oder noch zu erhebenden Beweismittel nicht möglich ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Buchführung nicht vorliegt oder aufgrund schwerwiegender formeller und materieller Mängel verworfen wird. Der Tatrichter ist angehalten, tatsächliche Anhaltspunkte, welche eine konkrete Ermittlung tatsächlicher Umsätze trotz fehlender oder manipulierter Buchführung ermöglichen, zu ermitteln. Es sind vor dem Rückgriff auf eine Schätzung konkrete Berechnungen anzustellen. Erst wenn Berechnungsversuche nicht möglich oder zu fehleranfällig sind, darf geschätzt werden (vgl. BGH v. 6.4.2016 – 1 StR 523/15).

Rückgriff auf steuerrechtliche Schätzungsmethoden: Zur Durchführung der Schätzung darf das Tatgericht dann auf die im Besteuerungsverfahren anerkannten Methoden der Schätzung zurückgreifen, wie bspw. Vermögenszuwachs- und Gesamtgeldverkehrsrechnungen, Nachkalkulation, Richtsatzverprobung, Betriebsvergleich, Zeitreihenvergleich oder Chi-Quadrat-Test zur Überprüfung der Kassenbuchführung. Der Tatrichter hat die Schätzungsmethode auszuwählen, welche den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommt.

Sind Schätzungen bereits im Besteuerungsverfahren vorgenommen worden, darf der Tatrichter diese zwar übernehmen, er hat diese jedoch eigenständig zu überprüfen und sich gem. § 261 StPO von der Richtigkeit zu überzeugen. Diese eigenständige Überprüfung muss in den Urteilsgründen erkennbar sein.

Beraterhinweis Eine schlichte Übernahme der Schätzungsmethoden des Veranlagungs-FA durch den Tatrichter oder auch durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle sollte immer überprüft werden.

Eigenständige Überzeugung: Der Tatrichter muss sich gem. § 261 StPO vom Schätzungsergebnis eigenständig überzeugt haben. Die Schätzung muss sich als eine eigene Schätzung des Tatrichters darstellen, sie darf nicht den Anschein haben, als ob der Tatrichter lediglich die Ergebnisse des FA ungeprüft und ohne eigene Überzeugung übernommen hat.

Sofern der Tatrichter jedoch auf die Schätzungsergebnisse des FA zurückgreift, muss er in seinen Urteilsgründen die Schätzungsgrundlagen, die vom FA ermittelt wurden, darlegen und mit eigenen Erkenntnissen begründen (vgl. BGH v. 24.5.2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345). Hierbei muss er insb. berücksichtigen, dass die Schätzungs...

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