Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit der 1v.H.-Regel trotz Ausschlusses der Privatnutzung eines für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung stehenden Dienstwagens wegen Anscheinsbeweises. Haftung (LSt) 1996 bis 1998

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein die Feststellungslast des FA umkehrender Anscheinsbeweis, dass der Dienstwagen eines Gesellschaftergeschäftsführers entgegen den Bestimmungen des Gesellschafterbeschlusses auch für Privatfahrten genutzt wird, greift nicht deshalb ein, weil dieser im Gegensatz zu den anderen beiden Gesellschaftergeschäftsführern zwar der Eigentümer, aber aus privaten Gründen nicht der Halter eines gleichwertigen, ihm allein und ständig zur Verfügung stehenden Privatwagens ist und eine Verwendung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erfolgt. Eine Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs zum Nachweis, dass keine Privatfahrten durchgeführt werden, besteht in diesem Falle nicht.

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 2 Sätze 2-4, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2

 

Tenor

I. Der Haftungsbescheid vom 08.03.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 24.10.2001 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist in seiner Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer die private Nutzung eines Dienst-Pkw gewährt hat und für die anfallenden Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge in Haftung genommen werden kann.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Liquidation. Im Streitzeitraum 1996 bis 1998 hatte sie drei Geschäftsführer, die zugleich die drei Gesellschafter der Klägerin bildeten. In einer Gesellschafterversammlung vom 20.03.1991 beschlossen die drei Gesellschafter, ihre Anstellungsverträge als GmbH-Geschäftsführer insoweit abzuändern, als eine bisher erlaubte private Nutzung der Firmenfahrzeuge nicht mehr erlaubt sein sollte (Bl. 35 der BP-Akte). Jedem der drei Gesellschafter-Geschäftsführer stand ein Dienstwagen zur Verfügung. Dem Gesellschafter-Geschäftsführer und späteren Liquidator der Klägerin, W. (nachfolgend: der Liquidator), standen im Streitzeitraum hintereinander als Dienstwagen zwei Opel Vectra zur Verfügung. Die Klägerin meldete die Lohnsteuern an, die sich aus der Nutzung des Dienst-Pkw des Liquidators für Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte ergaben und führte sie ab.

In einer Außenprüfung stellte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) fest, dass die beiden anderen Mitgesellschafter-Geschäftsführer einen eigenen Privatwagen auf sich angemeldet hatten, nicht jedoch der Liquidator. Wegen gerichtlicher Auseinandersetzungen war der Liquidator im Zeitraum der Prüfung zeitweise nicht mehr im Amt des Mitgeschäftsführers und Mitgesellschafters. Mit Haftungsbescheid vom 08.03.2000 nahm das FA die Klägerin nach § 42 d EStG für eine Privatnutzung des Dienst-Pkw durch den Liquidator nach der 1 %-Regelung in Haftung und setzte für das Jahr 1996 Lohnsteuern in Höhe von 1.303 DM sowie einen Solidaritätszuschlag von 97,72 DM, für 1997 Lohnsteuern von 1.905 DM und einen Solidaritätszuschlag von 142,87 DM sowie für 1998 Lohnsteuern von 2.172 DM und 119,46 DM Solidaritätszuschlag fest und setzte eine Nachversteuerung einer Einmal-Gehaltszahlung in Höhe von 55.374 DM Lohnsteuern und 3.045,57 DM Solidaritätszuschlag fest. Mit Beschluss vom 12.06.2001 lehnte das Amtsgericht Chemnitz die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Das Einspruchsverfahren vor dem FA war ausweislich der Einspruchsentscheidungen vom 24.10.2001 für die Jahre 1996 und 1997 erfolglos. Die Einspruchsentscheidung für das Jahr 1998 verringerte die Haftungssumme um die Lohnsteuer-Nachforderung für die Einmal-Gehaltszahlung und beschränkte den Haftungsbetrag auf den geldwerten Vorteil der Privatnutzung des Dienst-Pkw durch den Liquidator in Höhe von 2.172 DM Lohnsteuern und 119,46 DM Solidaritätszuschlag.

Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sächsischen Finanzgericht erhoben. Ihrer Ansicht nach bestand kein Anlass, bei dem Liquidator entgegen der Vorgabe der Gesellschafter- an die er sich gehalten habe – die private Nutzung des Dienst-Pkw anzunehmen. Aus persönlichen und privaten Gründen habe der Liquidator sein privates Kfz, einen Opel Astra, über seinen Vater J. W. als Halter laufen lassen. Das Fahrzeug habe aber während des gesamten streitigen Zeitraums zu seiner Verfügung gestanden. Seine Eltern seien 67- bzw. 70-jährige Rentner, die keiner zwei Fahrzeuge bedurften. Im Streitzeitraum habe er alleine gewohnt und den Dienst-Pkw nicht für Privatfahrten benutzt. Urlaubsfahrten habe er nicht unternommen.

Die Klägerin beantragt: „Der Haftungsbescheid vom 08.03....

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