Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit einer Einspruchsrücknahme. Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 110 Abs. 3 AO. Grunderwerbsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zurücknahme eines Einspruchs kann ihrerseits weder zurückgenommen, noch widerrufen oder angefochten werden. Sie kann jedoch unwirksam sein, wenn sie auf einer unzulässigen Einwirkung auf die Willensbildung des Erklärenden beruht. Eine solche unzulässige Einwirkung kann auch darin liegen, dass die Finanzbehörde den Einspruchsführer in grob fahrlässiger Weise unzutreffend über die Rechtslage und die Erfolgsaussichten seines Einspruchs belehrt.

2. Die Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung kann nur innerhalb der Ausschlussfrist des § 110 Abs. 3 AO geltend gemacht werden. Die einjährige Frist ist vom Datum der Einspruchsrücknahme an zu berechnen.

 

Normenkette

AO 1977 § 362 Abs. 2 S. 2, § 110 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen II R 21/04)

BFH (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen II R 21/04)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus dem Notar Dr. H. und seiner Ehefrau sowie dem Notar Dr. V.d.L. … und seiner Ehefrau. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Ehemänner gemeinschaftlich zur Geschäftsführung und Vertretung der Klägerin berechtigt.

Mit Vertrag vom 22. Oktober 1991 erwarb die Klägerin zum Preis von 1.500.000,– DM einen Anspruch nach dem Vermögensgesetz auf Rückübertragung des Grundbesitzes in D. …, Gemarkung A., Flur, Flurstück Nr. … Das Grundstück wurde am 6. April 1993 im Grundbuch auf die Gesellschafter der Klägerin zu Gesamthandseigentum umgeschrieben. Unter dem 3. Juni 1993 erließ der Beklagte gegen die Klägerin einen Grunderwerbsteuerbescheid in Höhe von 30.000,– DM, in dem er als Besteuerungsgegenstand den Erwerbsvorgang vom 22. Oktober 1991 angab. Gegen diesen Bescheid legte der Gesellschafter Dr. v.d.L. … für die Klägerin am 1. Juli 1993 Einspruch ein. Der Gesellschafter, der zuvor von den übrigen Gesellschaftern mündlich zur Vertretung der Klägerin bevollmächtigt worden war, trat unter dem Briefkopf des Notariates „H & v.d.L.” auf und machte für die Klägerin die Steuerbefreiung gemäß § 34 Abs. 3 Vermögensgesetz (VermG) geltend. Mit Schreiben vom 21. August 1996 wies der Beklagte die Klägerin auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. November 1995 (BStBl. II 1996, 27) hin und vertrat die Auffassung, der BFH habe die Grunderwerbsteuerpflicht für den Erwerb von Ansprüchen aus dem Vermögensgesetz „eindeutig bejaht”. Im Übrigen habe der BFH entschieden, dass für derartige Erwerbsvorgänge die Befreiung nach § 34 Abs. 3 VermG nicht gelte. Daraufhin erklärte der Gesellschafter Dr. v.d.L. … unter dem 28. August 1996 für die Klägerin die Rücknahme des Einspruchs.

Am 6. März 1998, ca. anderthalb Jahre später, machten die übrigen Gesellschafter gegenüber dem Beklagten geltend, Dr. v.d.L. … sei zur Rücknahme des Einspruchs nicht bevollmächtigt gewesen, und reichten eine Kopie des Gesellschaftsvertrages ein. Unter dem 11. März 1998 beantragte Dr. v.d.L. … Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Hinweis darauf, dass die Ausführungen des Beklagten im Schreiben vom 21. August 1996 unzutreffend gewesen seien. Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 23. April 1998, in dem er den Geschehensablauf des Grundstückserwerbs darstellte und darauf hinwies, dass die Rückübertragung der Besteuerung unterliege. Diese sei von dem erlassenen Steuerbescheid umfasst, der sich nunmehr auf eine andere Rechtsgrundlage beziehe (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 an Stelle von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Die falsche Bezeichnung des Erwerbsvorgangs sei durch nachträgliche Erläuterungen geheilt worden. Deshalb sei der Einspruch zulässig, aber unbegründet.

In seiner Einspruchsentscheidung vom 15. September 1999 verwarf der Beklagte den Einspruch sodann als unzulässig. Die Klägerin habe die Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme nicht rechtzeitig geltend gemacht. Der Gesellschafter Dr. v.d.L. habe auch die nötige Vertretungsmacht für seine Erklärung besessen. Dies ergebe sich aus § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages, aus dem sich eine alleinige Vertretungsbefugnis des Gesellschafters entnehmen lasse.

Mit ihrer am 14. Oktober 1999 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Würdigung. Sie trägt vor, der Geschäftsführer Dr. v.d.L. … sei von den anderen Gesellschaftern mündlich bevollmächtigt worden, Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid einzulegen. Eine Vollmacht zur Einspruchsrücknahme habe dem gegenüber nicht bestanden. Wegen der fehlenden Vertretungsmacht müsse davon ausgegangen werden, dass überhaupt keine wirksame Rücknahmeerklärung vorhanden sei. Der Gesellschafter v.d.L. … habe auf die Richtigkeit des rechtlichen Hinweises des Beklagten vertraut. Erst 1998 habe er erkannt, dass die zitierte Entscheidung einen anderen Sachverhalt betreffe. Unmittelbar im Anschluss ...

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