Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrten eines Kindes zur Qualifzierungs-ABM-Maßnahme als Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nimmt ein volljähriges Kind an einer sog. Qualifizierungs-ABM teil, welche für die Durchführung von Bauarbeiten an einem konkreten Ort beantragt und bewilligt wurde, und wird das Kind ausschließlich für diese Maßnahme eingestellt, ist diese Tätigkeitsstätte bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG als regelmäßige Arbeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG anzusehen.

2. Dauern die innerhalb der ABM-Maßnahme vom einem gemeinnützigen Verein durchgeführten Bauausführungen länger als sechs Monate, verfügt der Verein am Tätigkeitsort gem. 12 S. 2 Nr. 8 AO auch über eine Betriebsstätte.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, S. 1; AO § 12 S. 2 Nr. 8

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.07.2013; Aktenzeichen VI R 62/12)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung des Kindes R. bei der Bewilligung von Kindergeld für den Zeitraum von März bis Dezember 1999.

R., der am 5. Januar 1979 geboren ist, befand sich bis zum 11. Dezember 1998 in einer Ausbildung zum Maurer im Hochbau, die er ohne Abschluss beendete. Im Januar 1999 meldete er sich arbeitslos. Von März 1999 bis Dezember 1999 nahm er an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) teil, innerhalb derer er seine Ausbildung abschloss, so dass er im Dezember 1999 den Gesellenbrief als Maurer erhielt. Es handelte sich um die Qualifizierungs-ABM Nr. 70002/99, die vom C Deutschlands gemeinnütziger e. V. (C. D.) durchgeführt wurde und die Bezeichnung „Wohnumfeldgestaltung im Feriendorf P., Qualifizierung im Bereich Hochbaufacharbeiter” trug. Das Feriendorf P. befindet sich in einem ca. 9,4 ha großen Waldgrundstück im Außenbereich der Gemeinde P.. Nach der Arbeitsfeldbeschreibung des C. D. lagen die Schwerpunktaufgaben in der Um- und Ausgestaltung der vorhandenen Bausubstanz. Im Rahmen der Maßnahme bauten die Teilnehmer die im Rohbauzustand im Dorf III vorhandenen sechs Bungalows um bzw. stellten diese fertig. Zwei weitere Bungalows wurden zusätzlich im Rohbau gefertigt. Im Dorf I versahen die Teilnehmer sechs Bungalows mit notwendigen Isolierungen und verkleideten diese mit Brettern. In diesem Dorf wurden weitere drei Bungalows fertig gestellt; ferner brachten die Teilnehmer ein Zwischendach an. Im Außenbereich beider Dörfer leisteten die Teilnehmer weitere umfangreiche Arbeiten. Im Dorf III kam die Errichtung eines Grillplatzes und einer Ruhezone hinzu. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Tätigkeitsbericht und die Arbeitsfeldbeschreibung des C. D. verwiesen, die dieser mit Schreiben vom 27. April 2012 übergeben hat. Für R´s Arbeitsvertrag verwendete der C. D. das Formular TN-ABM und trug dort die ABM Nr. 70002/99 ein. Unter § 17 enthält der Vertrag den Text: „Arbeitsort ist der von der Projektleitung bzw. deren Vertreter jeweils festgelegte Einsatzort. Die Arbeitszeit beginnt und endet am Arbeitsort”.

R. erzielte im Jahr 1999 Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 22.413,– DM, zu denen er Werbungskosten von 4.413,– DM erklärte. Sein Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen betrug 4.775,– DM. Ferner erhielt er Arbeitslosenbezüge von 1.195,54 DM.

Bis einschließlich Februar 1999 berücksichtigte die Beklagte R. bei der Kindergeldgewährung an den Kläger. Die weitere Bewilligung für den Zeitraum von März bis Dezember hat die Beklagte abgelehnt. Das Einspruchsverfahren ist ohne Erfolg geblieben.

Der Kläger ist der Auffassung, R. habe sich im Streitzeitraum in Ausbildung befunden, denn während der Arbeiten in P. habe er auch Unterweisungen erhalten. Zugleich habe eine Einsatzwechseltätigkeit vorgelegen, da das Feriendorf P. nicht seine regelmäßige Arbeitsstätte gewesen sei. Dies folge daraus, dass es sich bei dem Feriendorf nicht um eine Betriebsstätte des C. D. im Sinne von § 12 der Abgabenordnung (AO) gehandelt habe. Eine regelmäßige Arbeitsstätte könne nur bei einer ortsfesten dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers vorliegen. Diese Voraussetzungen erfülle nur die Zweigstelle des C. D. in H., nicht aber das Feriendorf P., da dieses nicht im Eigentum des C. D. gestanden habe. Ferner sei § 17 des Arbeitsvertrages zu beachten. Danach habe die Möglichkeit bestanden, einen anderen Einsatzort für R. festzulegen. So sei es durchaus möglich gewesen, dass bei Bauverzögerungen durch andere Unternehmen (Heizungsbau, Klempnerei und Elektrik) eine andere Einsatzverfügung notwendig geworden wäre. Für R. seien mithin höhere Fahrtkosten und zudem Verpflegungsmehraufwendungen zu berücksichtigen, so dass sich R. Werbungskosten um 3.513,40 DM erhöhten. Damit lägen seine Einkünfte und Bezüge unter dem maßgeblichen Grenzbetrag.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 4. September 2006 und der Einspruchsent...

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