Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Kindergeldanspruchsberechtigung der in Polen mit dem Kind wohnenden Mutter durch den für nicht mehr als 24 Monate von polnischen Arbeitgebern ins Inland entsandten Kindsvater

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist ein polnischer Kindsvater von Arbeitgebern, die in Polen ihren Sitz haben, für nicht länger als 24 Monate nach Deutschland entsandt worden, unterliegt er im Hinblick auf Familienleistungen weiterhin den Rechtsvorschriften Polens und kann deshalb der in Polen ansässigen Mutter des gemeinsamen Kindes, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat noch unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, keine Anspruchsberechtigung nach einer deutschen Kindergeldbestimmung wie dem § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG vermitteln. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass diese Anspruchsberechtigung für deutsches Kindergeld im deutschen Einkommensteuergesetz niedergelegt ist.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 S. 1; EGV 883/2004 Art. 12 Abs. 1, Art. 67; AEUV Art. 48

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.07.2020; Aktenzeichen III R 13/19)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Klägerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Festsetzung von Kindergeld für ihren am 25.1.2009 geborenen Sohn M. für die Zeiträume Juli bis August 2012, November 2012 bis Juli 2014 und September bis November 2014.

Der Vater des Kindes war in den genannten Zeiträumen von polnischen Arbeitgebern, nämlich M. und K. jeweils mit Sitz in S. nach Deutschland entsandt worden und auf dieser Grundlage im Inland beschäftigt.

Die Klägerin beantragte am 16.1.2016 bei der Familienkasse Sachsen Kindergeld. Sie legte u.a. eine Bescheinigung des Einwohnermeldeamtes B. v. 9.11.2012 vor, der zufolge der Kindsvater dort am 1.11.2012 eine Wohnung bezogen hatte. Vorgelegt wurden außerdem deutsche Einkommensteuerbescheide des Kindsvaters.

Die Beklagte lehnte mit ihrer Entscheidung v. 25.11.2016 die beantragte Festsetzung von Kindergeld ab. Der Einspruch blieb erfolglos. In ihrer Einspruchsentscheidung v. 26.1.2017 führt die Beklagte aus, dass eine Wohnsitzfiktion nach Art. 67 der VO (EG) 883/2004 nicht zur Anwendung komme, da weder die Klägerin noch der Kindsvater als entsandter Arbeitnehmer dem deutschen Recht unterlägen.

Am 7.2.2017 erhob die Klägerin Klage zum Sächsischen Finanzgericht. Sie beruft sich darauf, dass sie nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes v. 22.10.2015 so zu behandeln sei, als wohne sie in Deutschland, da der Kindsvater in Deutschland Wohnung genommen habe. Auf den Einwand der Beklagten, der Kindsvater habe keinen Wohnsitz in Deutschland begründet, erwidert sie, es genüge, wenn der Kindsvater seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe, da die VO (EG) 883/2004 selbst den Wohnsitz als den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts definiere. Die Tätigkeit des Kindsvaters auf der Grundlage einer Entsendung stehe einem Kindergeldanspruch nicht entgegen. Art 12 der VO (EG) 883/2004, der eine Sonderregelung für entsandte Arbeitnehmer schaffe, beziehe sich auf sozialversicherungsrechtliche Regelungen. Ein auf dem Einkommensteuerrecht gründender Kindergeldanspruch unterfalle hingegen keiner Sonderregelung, ansonsten die in Art. 48 AEUV geschützte Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht mehr gewährleistet sei.

Die Klägerin beantragt,

den ablehnenden Kindergeldbescheid v. 25.11.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung v. 26.1.2017 aufzuheben,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Kindergeldnachzahlung für den Sohn M. für die Zeiträume Juli bis August 2012 und November 2012 bis Oktober 2013 in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem deutschen Kindergeldanspruch und dem polnischen Kindergeldanspruch zu gewähren (Differenzkindergeld),

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Kindergeldnachzahlung für den Sohn M. für die Zeiträume November 2013 bis Juli 2014 und September 2014 bis November 2014 in Höhe von insgesamt 2.208 Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet ein, die von der Klägerin vorgelegten Belege wiesen lediglich einen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindsvaters, nicht aber einen Wohnsitz nach. Die Wohnsitzfiktion greife aber nur, wenn ein Elternteil einen Wohnsitz in Deutschland besessen habe. Ein gewöhnlicher Aufenthalt reiche nicht. Es müsse zwischen Arbeitnehmern in Deutschland und nach Deutschland entsandten Personen unterschieden werden.

Auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten der Beklagten wird verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. In den streitgegenständlichen Zeiträumen stand der Klägerin deutsches Kindergeld nicht zu.

Die Klägerin ist nicht nach § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG anspruchsberechtigt. Weder hatte sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt noch war sie unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder wurde so behandelt. Der Umstand, dass der Kindsvater im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt besaß, ko...

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