rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechsel der örtlichen Zuständigkeit eines FA bei Änderung des Unternehmenssitzes. Örtliche Zuständigkeit für den Erlass eines Haftungsbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat eine GmbH ihren Sitz durch Gesellschafterbeschluss verlegt, kommt es für die Frage des Sitzes der GmbH gem. § 11 AO und damit für den Wechsel der örtliche Zuständigkeit hinsichtlich des Erlasses eines Umsatzsteuerhaftungsbescheids nicht auf die Entfaltung geschäftlicher Aktivitäten am neuen Sitz der Gesellschaft an.

2. Verkennt das – nach einer Änderung des Sitzes einer GmbH nunmehr – zuständige FA seine Zuständigkeit und lehnt die Aktenübernahme ab, ist hierin keine konkludente Erklärung zur Zustimmung gem. § 26 S. 2 AO zu sehen.

3. Erlässt nicht das örtlich zuständige FA gegenüber der Geschäftsführerin einer GmbH einen Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuern der GmbH, ist der Haftungsbescheid aufzuheben, wenn nicht auszuschließen ist, dass das zuständige FA hinsichtlich des Auswahlermessens eine andere Entscheidung getroffen hätte.

 

Normenkette

AO §§ 69, 34, 24, 20 Abs. 1-2, §§ 10-11, 21 Abs. 1, § 26 S. 2, § 125 Abs. 3 Nr. 1, §§ 127, 191 Abs. 1, § 5; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 18.03.2010; Aktenzeichen VII B 265/09, VII B 266/09)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 18. Dezember 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2007 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil wird hinsichtlich der Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides.

Die Klägerin war seit dem 23. Oktober 1991 alleinige Geschäftsführerin der S. Logistik GmbH (Steuerschuldnerin). Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 200.000 DM; hiervon hielt die Klägerin 60.000 DM und ihr Ehemann 140.000 DM; der Gesellschaftsanteil des Ehemannes wurde später an einen Herrn K. H. und von diesem an die Schwiegermutter der Klägerin veräußert. Mit Gesellschafterbeschluß vom 13. Dezember 1996 wurde Herr H. zum neuen Geschäftsführer bestellt; außerdem wurde die Firma der Gesellschaft in „K Warenhandels GmbH” geändert und der Sitz der Gesellschaft von A.-B. nach H. verlegt. Mit einem weiteren Gesellschafterbeschluß vom 12. August 1997 wurde der Sitz der Gesellschafter nach S. verlegt; die Geschäftsräume sollten sich unter der Adresse S., …straße 3 befinden. Die dementsprechende Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 13. Januar 1998. Am 14. März 2001 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet, am 26. Juni 2003 wurde das Verfahren mangels Masse eingestellt.

Ausweislich der Dauerunterlagen ergaben Ermittlungen des Beklagten zum Ort der Geschäftsleitung zunächst, daß Anfang des Jahres 1997 noch Angestellte der GmbH unter der Adresse …straße 33 in A. tätig waren. Im April 1997 nahm der Beklagte mit der Steuerfahndung Rücksprache, ob Bedenken gegen eine eventuelle Aktenabgabe bestünden (Blatt 31 der Akten über die Betriebsprüfung/Steuerfahndung). Der Anwalt der GmbH teilte auf Anfrage des Beklagten im Juni 1997 mit, die GmbH habe den Ort ihrer Geschäftsleitung am Sitz der Gesellschaft. Nachdem an die GmbH an die Adresse in A. adressierte Post als unzustellbar zurückkam und eine am 10. Oktober 1997 durchgeführte Nachschau vor Ort ergab, daß das Betriebsgebäude leer stand und dem Verfall preisgegeben war, erkundigte sich der Beklagte erneut nach dem Ort der Geschäftsleitung. Diese Frage beantwortete der Anwalt der GmbH dahingehend, daß die Gesellschaft ihren Sitz in S. habe. Soweit noch Geschäfte geführt würden, würden diese von dort erledigt. Das Finanzamt S. dürfte demnach zuständig sein. Das Finanzamt S. teilte dagegen mit, die Nachschau des Vollziehungsbeamten unter der angegebenen Firmenanschrift habe ergeben, daß keine der bezeichneten Gesellschaften unter der Anschrift S., …straße 3, firmiere; dort sei eine Anwaltskanzlei ansässig. Die Übernahme der Akten wurde abgelehnt (Blatt 24 der Dauerunterlagen). Dem widersprach die GmbH, der Ort der Gesellschaft befinde sich am Gesellschaftssitz. Die GmbH habe in der …straße 3 in S. einen Büroraum angemietet, an diese Adresse gerichtete Post komme an (Blatt 26 der Dauerunterlagen).

Ab Juli 1995 hatte eine Steuerfahndungsprüfung bei der GmbH stattgefunden; das Finanzamt A. war den Prüfungsfeststellungen und gefolgt und hatte dementsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1993 bis 1995 erlassen. Der Umsatzsteuerbescheid 1995 wurde von der GmbH angefochten; nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2000 erhob die GmbH jedoch keine Klage. Das gegen die Klägerin gerichtete Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung ist ...

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