Rz. 40

Nach § 6b EStG können bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter aufgedeckte stille Reserven ganz oder teilweise auf bestimmte neu angeschaffte oder hergestellte Anlagegüter übertragen werden. Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist nach § 6b Abs. 4 EStG die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 oder § 5 EStG). Bei einer Gewinnermittlung durch Überschussrechnung[1] (§ 4 Abs. 3 EStG) ist eine begünstigte Übertragung stiller Reserven sowie eine Rücklagenbildung nur im Rahmen des § 6c EStG möglich.

Die Methode der Übertragung der bei der Veräußerung der begünstigten Anlagegüter aufgedeckten stillen Reserven besteht nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG darin, dass im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- und Herstellungskosten der im selben Wirtschaftsjahr angeschafften oder hergestellten begünstigten Wirtschaftsgüter ein Betrag bis zur vollen Höhe (100 %) des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns abgezogen wird. Es wird nicht immer möglich sein, die durch Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven bereits im Jahr der Veräußerung auf die in diesem Wirtschaftsjahr angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zu übertragen. Deshalb lässt § 6b EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung die Bildung einer den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklage bis zur Höhe von 100 % des entstandenen Veräußerungsgewinns zu. Bis zur Höhe dieser Rücklage können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der begünstigten Anlagegüter, die in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt worden sind, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung gekürzt werden. Bei neu hergestellten Gebäuden verlängert sich diese Frist auf 6 Jahre, wenn mit ihrer Herstellung vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres begonnen worden ist.

Ist eine Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs noch vorhanden, ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG zu diesem Zeitpunkt mit einem Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG von 6 % für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, gewinnerhöhend aufzulösen.

Das 2. Corona-Steuerhilfegesetz verlängert in § 52 Abs. 14 EStG die Reinvestitionsfristen des § 6b EStG zunächst vorübergehend um 1 Jahr, das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuergesetzes um ein weiteres Jahr. Durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz werden die Reinvestitionsfristen nochmals verlängert: ist eine Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG in einem nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2023 endenden Wirtschaftsjahr noch vorhanden und müsste sie in diesem Zeitraum aufgelöst werden, dann endet die Reinvestitionsfrist gemäß § 52 Abs. 14 S. 4–6 EStG erst am Schluss des nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.1.2024 endenden Wirtschaftsjahres.

Zur Thematik "Übertragung nach § 6b EStG auf Reinvestitionen im Vorjahr"[2] ist unstreitig, dass bei der Übertragung nach § 6b Abs. 1 EStG ein Abzug für ein im Vorjahr angeschafftes oder hergestelltes Reinvestitionsgut erfolgen kann. Dabei wird der Buchwert zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres um den Abzugsbetrag gemindert. Die weitere Abschreibung bemisst sich in der Folge um die Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzgl. der abgezogenen stillen Reserven.[3]

Fraglich ist aber, ob ein Abzug von stillen Reserven nach § 6b Abs. 10 EStG auf im Vorjahr angeschaffte oder hergestellte Reinvestitionsgüter erfolgen kann. R 6b.2 Abs. 13 EStR schließt eine Übertragung auf im Vorjahr angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter aus. Teile der Fachliteratur[4] sowie das FG München[5] wollen eine Übertragung auf im Vorjahr angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter zulassen.

Nach der Auffassung von Scharfenberg[6] "ist der Abzug auf im Vorjahr angeschaffte oder hergestellte Reinvestitionsgüter zuzulassen. Im ersten Halbsatz von § 6b Abs. 10 S. 1 EStG wird nur der Abzug im Jahr der Veräußerung und die Übertragung in die folgenden Jahre zugelassen. Allerdings verweist der zweite Halbsatz direkt auf § 6b Abs. 10 S. 4 EStG, welcher auf Abs. 5 verweist. Gründe für eine Durchbrechung sind nicht ersichtlich. Selbst wenn der Gesetzgeber den Abzug im Vorjahr nicht ermöglichen wollte, spricht der Verbleib des Verweises, trotz einer Vielzahl an Änderungen seit der Einführung, sowie dass der Gesetzgeber auf das Tatbestandsmerkmal "neu" verzichtet hat, sehr stark für einen möglichen und zulässigen Abzug im Vorjahr. Folgt man der Meinung der Literatur, so ist auch hier der Abzug von stillen Reserven auf im Vorjahr angeschaffte oder hergestellte Reinvestitionsgüter vom Buchwert zulässig. Die weitere Abschreibung bemisst sich im Fall von Gebäuden von den um den Abzug geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Im Fall einer Übertragung auf bewegliche Wirtschaftsgüter nach dem Restwert nach Übertragung, verteilt auf die Rest-Nutzungsdauer."

§ 6b EStG erlaubt wegen der – bis zum 31.12.1998 und ab dem 1.1.2002 wieder geltenden – gesellschafterbezogenen Betrachtu...

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