Vor diesem Hintergrund sollte zunächst bei der steuerlichen Beratung im Zusammenhang mit steuerlichen Nachmeldungen oder Berichtigungsanzeigen – auch wenn diese im Einzelfall bei abweichender Rechtsansicht lediglich als Informationsschreiben ausgestaltet sein sollten – höchstvorsorglich auf die "Selbstanzeigesicherheit" nach Maßgabe der sich aus § 371 AO und der diesbezüglich ergangenen Rechtsprechung ergebenden hohen Anforderungen an die Wirksamkeit geachtet werden. Dazu gehören u.a. die Berücksichtigung des Vollständigkeitserfordernisses nach § 371 Abs. 1 AO und etwaiger sachlicher und zeitlicher Sperrwirkungen gem. § 371 Abs. 2 AO sowie die Beurteilung der steuerlichen und strafrechtlichen – häufig verlängerten – Verjährungsfristen. Ferner sind rechtliche Aspekte z.B. zur Unverzüglichkeitsfrist des § 153 AO und zu offenen oder verdeckten Stellvertretungen sowie zur Erstellung gesonderter sog. Selbstanzeige-Vollmachten zu beachten. Auch Drittanzeigemöglichkeiten, Nachforschungspflichten oder im Zusammenhang mit einer Gesamtrechtsnachfolge stehende Fragen sind regelmäßig zu klären. Zudem sind in vielen Fällen bzw. unter bestimmten Voraussetzungen die Regelungen über Zuschläge nach § 398a AO unter Beachtung des Kompensationsverbotes im Blick zu behalten. Weiterhin sei daran erinnert, dass eine Selbstanzeigenberatung im Einzelfall auch mit einer umfassenden Beratung zu Risiken aus den nicht selbstanzeigefähigen Auffangtatbeständen der §§ 379 oder 380 AO bzw. des § 26a UStG und der ordnungswidrigkeitsrechtlichen Regelungen zu den §§ 30 bzw. 130 OWiG verbunden werden muss. Schließlich ist dem Einziehungsrecht nach § 73 ff. StGB oder § 29a OWiG Aufmerksamkeit zu widmen, weil zumindest strafrechtlich eine weit über den steuerlichen Berichtigungszeitraum hinausgehende strafrechtliche Vermögensabschöpfung mittlerweile denkbar ist.

Die vorgenannten rechtlich bereits anspruchsvollen Themenbereiche sollten darüber hinaus regelmäßig noch um folgende Fragen ergänzt werden: Wer muss berichtigen? Wie, was und wann muss man berichtigen? Welche Art von Berichtigung muss ich vornehmen? Welche Personen kann und muss ich einbeziehen und wie koordiniere ich die Einreichung mehrerer Nachmeldungen? Wer versendet das Nachmeldeschreiben? Welches "Wording" ist angemessen, um das Risiko der Umdeutung in eine Selbstanzeige nach § 371 AO zu vermindern? Was passiert in der Finanzverwaltung mit der vorgenommenen Korrektur?

In Fällen, in denen es ursprünglich zu einer möglicherweise unrechtmäßigen Steuererstattung auf ein Buchgeldkonto gekommen ist und in denen die Tatbestände des "Verwahrens" oder "Verwendens" nach § 261 Abs. 1 Nr. 4 StGB n.F. erfüllt sind, ist die Frageliste seit März 2021 zu erweitern. Es ist ergänzend zu erörtern, ob möglicherweise ein Geldwäschestrafbarkeitsrisiko gem. § 261 StGB n.F. besteht und ob Möglichkeiten zur Beseitigung dieser Gefahr bestehen. Denkbar ist nämlich unter bestimmten Voraussetzungen, dass sich der Aufwand zum Erreichen einer wirksamen strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO im weiteren Verlauf als "Pyrrhussieg" erweist, weil sich damit erst das Tor zur strafrechtlichen Verfolgung nach § 261 StGB n.F. öffnet. Deshalb ist es erforderlich, die Geldwäschevorschrift zumindest im Kern erfasst zu haben.

Sofern die Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige hinsichtlich der Steuerhinterziehung als rechtswidrige Vortat vorliegen, wird der aus Sicht der Finanzbehörde vermeintliche Steuerstraftäter nach § 371 Abs. 1 AO nicht wegen der Tatbestandsverwirklichung des § 370 AO bestraft, mithin entfällt aufgrund eines Strafaufhebungsgrundes nachträglich die Strafbarkeit. Dies kann jedoch aus geldwäscherechtlicher Perspektive von großem Nachteil sein. In den Fällen, in denen die Straffreiheit nur wegen der Wirksamkeitssperre des § 371 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 AO nicht eintritt, wird lediglich über § 398a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO von einer Verfolgung der Steuerstraftat abgesehen, sofern der an der Tat Beteiligte innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist die aus der Vortat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, etwaige Zinsen nach §§ 233a und/oder 235 AO sowie bestimmte Zuschläge zahlt. In dieser Fallvariante bleibt jedoch die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung als Vortat bestehen. Dies hätte wiederum unter geldwäscherechtlichen Überlegungen einen Vorteil, weil die Geldwäschestrafbarkeit dem Grunde nach und ohne Anwendung der Rückausnahmeregelung des § 261 Abs. 7 Halbs. 2 StGB n.F. entfällt.

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