Leitsatz

Zumindest für die Altjahre bis einschließlich 2004 sind die gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge auch nach Einführung des Alterseinkünftegesetzes nicht als vorweg genommene Werbungskosten in voller Höhe, sondern nur begrenzt im Rahmen des Sonderausgabenabzuges zu berücksichtigen.

 

Sachverhalt

Der Kläger zahlte im Jahr 2004 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und konnte nur einen Teil im Rahmen der Höchstbetragsrechnung bei den Sonderausgaben geltend machen. Den überschießenden Teil wollte er als vorweg genommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften im Sinne von § 22 Abs. 1 EStG geltend machen. Zur Begründung verwies er auf das Alterseinkünftegesetz vom 5.7.2004, nach dem er die späteren Renteneinkünfte zu einem festgelegten und den bisherigen Besteuerungssatz weit übersteigenden Prozentsatz zu versteuern habe.

 

Entscheidung

Das niedersächsische Finanzgericht lehnte die Behandlung der Beitragszahlungen als Werbungskosten ab. Es beruft sich auf die gesetzliche Anordnung in § 10 Abs. 2 und 3 EStG, in dem die Beiträge zur gesetzlichen Altersvorsorge den Sonderausgaben zugewiesen sind. Wählt aber der Gesetzgeber eine Zuordnung zum privaten und damit nicht steuerlich absetzbaren Ausgabenbereich, so ist die Judikative im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit daran gebunden. Das BVerfG hat diese grundsätzliche Zuordnung der Rentenbeiträge zu den Sonderausgaben in mehreren Beschlüssen nicht beanstandet (BVerfG, Beschluss v. 20.8.1997, 1 BvR 1523/88). Davon abgesehen liegen bis zum Jahr 2004 schon begrifflich keine Werbungskosten vor. Im Jahr 2004 habe der Kläger noch in Erwartung einer größtenteils steuerfreien Rente Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Damit fehlt es an einem erkennbaren wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang zwischen Vermögensminderung und steuerbarer Einkunftserzielung. Selbst wenn man für die Jahre 2005 und später von einer unzulässigen Doppelbesteuerung ausginge, hält das Gericht eine Heilung nicht dadurch für möglich, dass die Beiträge als Werbungskosten behandelt werden. Erst wenn Renten nach dem neuen System besteuert werden, ist laut Auffassung des FG eventuell eine Korrektur möglich.

 

Hinweis

Die neue Rentenbesteuerung wird die Gerichte noch lange beschäftigen, insbesondere weil eine einzelfallgerechte Überleitung in das neue System kaum möglich scheint. Das Alterseinkünftegesetz wird m. E. zumindest verfassungsrechtlich keinen Bestand haben, zu groß sind die Brüche und Ungereimtheiten. Die Idee, die eigenen Rentenbeiträge als vorweg genommene Werbungskosten abziehen zu können, ist so bestechend und systemkonform, dass sie der Gesetzgeber wohl kaum mit einer einfachgesetzlichen Zuordnung zu den privaten Ausgaben, die lediglich im Rahmen von Sonderausgaben begrenzt abzugsfähig sind, aus der Welt schaffen kann. Wenn der Beitragszahler bereits heute den Prozentsatz berechnen kann, mit dem seine zukünftigen Rentenzuflüsse zu versteuern sind, so ist nicht einzusehen, warum seine abgeführten Beiträge nicht mit dem gleichen Prozentsatz steuermindernd geltend zu machen sind. In einem Umlagesystem werden diese Beiträge auch nicht verzinst, sondern sofort für die Rentenbezieher ausgegeben. Dass Rentenbeiträge Werbungskosten im Hinblick auf zukünftige steuerpflichtige Einnahmen sind, daran besteht nach dem vom Gericht selbst zitierten Werbungskostenbegriff kein Zweifel.

Alle drei Argumente des FG Niedersachsen überzeugen dagegen m. E. nicht. Die Entscheidung des BVerfG vom 1997 kann sich noch gar nicht auf das neue System der Alterseinkünftebesteuerung beziehen und ist insofern obsolet. Weiter hat der Kläger bereits im Jahr 2004 Beiträge im Hinblick auf die später weit überwiegend steuerpflichtigen Rentenbezüge geleistet, weil das Gesetz auch Altfälle erfasst und bereits im Jahr 2004 erlassen wurde. Dass die Renten erstmals 2005 erhöht besteuert werden, interessiert entgegen der Auffassung des FG im Hinblick auf den Werbungskostencharakter nicht. Die Rückwirkung des Alterseinkünftegesetzes blendet das Gericht vollständig aus. Schließlich werden die Hinweise des Gerichts für die Werbungskostenbehandlung ab 2005 nur rudimentär begründet: Die Belastung durch die erhöhte Besteuerung der Rentenzuflüsse, ohne zuvor die Beitragszahlung voll steuerlich entlastet zu haben, tritt eben nicht erst im Jahr des ersten Rentenzuflusses ein. Belastet ist ein Steuerpflichtiger bereits dann, wenn im Hinblick auf spätere steuerpflichtige Zuflüsse vorweg genommene Werbungskosten in einem Jahr verausgabt werden und sich steuerlich nicht auswirken. Konsequent hat das Gericht die Revision zugelassen, die unter dem Aktenzeichen des BFH III R 5/06 geführt wird.

Das BVerfG hat im Urteil vom 6.3.2002 (2 BvL 17/99, BStBl 2002 II S. 618) zwar die Geltung des bisherigen Rechts bis zum 1.1.2005 zugelassen, dies bezieht sich allerdings nur auf die ungleiche Behandlung der gesetzlichen einerseits und beruflichen Altersvorsorge andererseits. In einem Aussetzungsbeschluss vom 1.2.2006 (Az. X B 166/05

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