Nicht abschließend geklärt ist bisher die Frage, ob auch solche Kapitalerträge nach § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG deklariert werden müssen, die lediglich teilweise einem zu niedrigen abgeltenden Steuerabzug unterlegen haben (s. z.B. Kühner in H/H/R, EStG/KStG, Stand: 5/2017, § 32d EStG Rz. 67). Ausweislich der Begründung zum JStG 2010 v. 21.6.2010 trifft die Veranlagungspflicht i.S.d. § 32d Abs. 3 EStG jeden Kapitalertrag, für den keine (vollständige) Abgeltungswirkung eingetreten ist. Gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG tritt die Abgeltungswirkung nur insoweit ein, als die Erträge der Höhe nach dem Steuerabzug unterliegen. Für den darüberhinausgehenden Betrag besteht eine Veranlagungspflicht nach § 32d Abs. 3 EStG. Das heißt i. Erg., auch für Kapitalerträge, die zu Recht oder zu Unrecht nur teilweise dem Steuerabzug unterlegen haben, besteht eine Veranlagungspflicht (vgl. Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, EStG, Stand: 21.4.2016, § 32d Rz. 68).

Dies ergibt sich nach diesseits vertretener Auffassung nicht zuletzt auch der Systematik der Vorschriften zur Abgeltungswirkung des Steuerabzugs einerseits und der korrespondierenden Erklärungspflicht des § 32d Abs. 3 EStG andererseits. Demnach sind von der Deklarationspflicht keine Kapitalerträge ausgenommen, die nur teilweise dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterlegen haben. Alleine die (exemplarischen) Ausführungen zur Ersatzbemessungsgrundlage im BMF-Schreiben v. 18.1.2016 (BMF v. 18.1.2016, BStBl. I 2016, 85 Rz. 183, 184) verdeutlichen, dass im Steuerabzugsverfahren zu niedrig besteuerte Kapitalerträge nicht dauerhaft begünstigt sein sollen. Wenn schon im Steuerabzugsverfahren aufgrund Anwendung einer Ersatzbemessungsgrundlage rechtmäßig zu niedrig besteuerte Kapitalerträge in der Einkommensteuererklärung angegeben werden müssen, dann muss dies erst recht für Kapitalerträge gelten, die zu Unrecht der Höhe nach einem zu geringen Steuerabzug vom Kapitalertrag unterlegen haben. Dem stehen nach diesseitiger Auffassung auch keine unangemessen hohen Prüfpflichten des Stpfl. entgegen. Denn den Stpfl. trifft ohnehin stets die Pflicht, seine gesamten steuerlichen Verhältnisse zu überprüfen und die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen ggü. dem FA zu erklären. Das gilt grundsätzlich auch für private Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG, es sei denn, die Kapitalerträge haben bereits einem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung gem. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG unterlegen. Es ist nicht unangemessen, dem Stpfl. jährlich die Überprüfung der eigenen steuerlichen Verhältnisse auch für private Einkünfte aus Kapitalvermögen aufzuerlegen. A.A. Kühner in H/H/R, EStG/KStG, Stand: 5/2017, § 32d EStG Rz. 67; nach der dort vertretenen Auffassung solle § 32d Abs. 3 EStG keine Anwendung finden für den Fall, dass der Abzugsverpflichtete KapESt in zu geringer Höhe einbehalten hat. Begründet wird dies damit, dass die Prüfungspflicht für den Stpfl. unangemessen sei.

Beraterhinweis Umsetzung in der Praxis: Bei zu geringem Steuerabzug, reicht es aus, wenn nur der Teil des Kapitalertrags deklariert wird, der (zu Unrecht) nicht dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterlegen hat. In der Praxis dürfte jedoch der vollständige Kapitalertrag deklariert werden und die (teilweise) erhobene KapESt wird unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die gem. § 32d Abs. 1, 3 EStG festgesetzte Einkommensteuer angerechnet.

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