Leitsatz

Bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG i.d.F. des StBereinG 1999 sind – jedenfalls in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 – auch Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1.1.1999 geendet haben, zu berücksichtigen (gegen BMF, Schreiben vom 22.5.2000, IV C 2 – S 2144 – 60/00, BStBl I 2000, 588, Tz. 36).

 

Normenkette

§ 4 Abs. 4a EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erklärte für das Streitjahr 1999 einen durch Bestandsvergleich (§§ 5, 4 Abs. 1 EStG) ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. 16.278 DM, wobei er die 1999 angefallenen Schuldzinsen in vollem Umfang als Betriebsausgaben berücksichtigte. Das FA ermittelte demgegenüber nach § 4 Abs. 4a EStG 1999 nicht abziehbare Schuldzinsen i.H.v. 3.404 DM und erhöhte den Gewinn entsprechend. Das FA ließ dabei die in den Wirtschaftsjahren vor 1999 vom Kläger getätigten "Unterentnahmen", die sich in dem am 31.12.1998/1.1.1999 vorhandenen positiven Kapitalkonto niederschlugen, außer Betracht.

Die dagegen erhobene Klage vor dem FG blieb erfolglos (EFG 2004, 713). Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG.

 

Entscheidung

Entgegen der von FG und FA in Übereinstimmung mit dem BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 588 (Tz. 36) vertretenen Ansicht seien die "Unterentnahmen" aus den vor dem 1.1.1999 endenden Wirtschaftsjahren bei der Ermittlung der im Streitjahr 1999 gem. § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen zu berücksichtigen. Dies geböten sowohl der eindeutige Wortlaut des § 4 Abs. 4a EStG als auch dessen Sinn und Zweck. § 4 Abs. 4a EStG beschränke den Schuldzinsenabzug, wenn und soweit die Entnahmen die Summe von Gewinn und Einlagen in diesem Wirtschaftsjahr (§ 4 Abs. 4a Sätze 1 und 2 EStG) und in den Vorjahren (§ 4 Abs. 4a Satz 4 EStG) überstiegen.

§ 4 Abs. 4a EStG stelle damit nicht auf einen entnahmebedingt entstandenen oder vergrößerten Liquiditätsmangel ab, sondern schränke den Betriebsausgabenabzug ein, sofern die Summe der Entnahmen die Summe aus angesammelten Gewinnen und Einlagen, also das gesamte in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital, übersteige.

 

Hinweis

1. Nach § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahrs übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert ermittelt mit 6 % der Überentnahmen des Wirtschaftsjahrs zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen). Nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 11 EStG ist § 4 Abs. 4a EStG erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31.12.1998 endet (§ 52 Abs. 11 Satz 1 EStG).

2. Die im Besprechungsurteil vertretene Auffassung, dass für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 Unterentnahmen aus früheren Wirtschaftsjahren nicht unberücksichtigt bleiben können, entspricht der in der Literatur herrschenden Meinung (vgl. z.B. Blümich/Wacker, § 4 EStG Rz. 168i; Wendt, FR 2000, 417; Groh, DStR 2001, 105; a.A. z.B. Schmidt/Heinicke, EStG, 24. Aufl., § 4 Rz. 525).

Ob dasselbe auch für Veranlagungszeiträume ab 2001 zu gelten hat, hat das Besprechungsurteil offen gelassen. Dagegen spricht die Anordnung des Gesetzgebers in § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001, dass Über- und Unterentnahmen in vor dem 1.1.1999 endenden Wirtschaftsjahren nicht zu berücksichtigen sind. Diese am 23.12.2001 in Kraft getretene Regelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG kann indessen nach der im Besprechungsurteil vertretenen – m.E. zutreffenden – Ansicht nicht auf die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zurückbezogen werden.

3. Noch nicht durch den BFH geklärt ist die Frage, ob bei der Ermittlung der in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 nicht abziehbaren Schuldzinsen die Über- und Unterentnahmen früherer Wirtschaftsjahre auch dann zu berücksichtigen sind, wenn diese Vorgänge zu einem am 31.12.1998/1.1.1999 negativen Kapitalkonto (negativen "Startkapital") geführt haben.

4. Der vorliegende Streitfall betraf einen bilanzierenden Steuerpflichtigen. Die im Besprechungsurteil dargelegten Grundsätze müssen m.E. aber auch – schon aus Gründen der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) – für Steuerpflichtige gelten, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG berechnen. Hier muss das am 1.1.1999 vorhandene (positive) "Startkapital" notfalls im Weg der Schätzung (unter Zuhilfenahme der Anlageverzeichnisse) ermittelt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.9.2005, X R 47/03

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