Leitsatz (amtlich)

Die Finanzbehörden sind nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977 befugt, zur Durchführung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens nicht nur Umsatz- und Lohnsteuerrückstände, sondern auch Einkommen- nebst Kirchensteuerrückstände an die Gewerbebehörden bekannt zu geben, wenn die Einkommensteuerpflicht allein auf Einkünften aus Gewerbebetrieb beruht oder wenn Unzuverlässigkeit wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit im Raum steht.

 

Normenkette

GewO § 35; AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 5

 

Verfahrensgang

VG Gelsenkirchen (Aktenzeichen 7 K 532/86)

 

Tenor

u.a. gestützt auf Auskünfte des zuständigen Finanzamts über erhebliche Steuerrückstände untersagte der Bekl. dem Kl. durch Ordnungsverfügung vom 1.2.1985 wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit und abgabenrechtlichen Fehlverhaltens die Ausübung des Gewerbes „Maler- und Lackiererbetrieb”. Die hiergegen gerichtete Klage, mit der im wesentlichen die Verletzung des Steuergeheimnisses gerügt wurde, blieb auch in der Berufungsinstanz erfolglos.

 

Gründe

Die Untersagung des Maler- und Lackiererhandwerks hat ihre Rechtsgrundlage in § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO. Danach ist die Ausübung eines Gewerbes zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbebetreibenden in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, bei deren Beurteilung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrundezulegen ist, sind erfüllt.

Der Kl. war im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 5.2.1986 gewerberechtlich unzuverlässig. Er bot nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür, künftig das untersagte Gewerbe ordnungsgemäß zu betreiben. Zur ordnungsgemäßen Ausübung eines Gewerbes gehören sowohl die Beachtung der dem Gewerbetreibenden obliegenden Zahlungs- und Erklärungspflichten gegenüber der Finanzverwaltung und den übrigen öffentlichen Kassen als auch eine ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die es ermöglicht, ohne Gefährdung der Geschäftspartner im Wirtschaftsverkehr aufzutreten. Die Nichtbeachtung beider Gesichtspunkte rechtfertigte im Fall des Kl. die Annahme seiner Unzuverlässigkeit.

Nach dem bis zum maßgeblichen Zeitpunkt gezeigten Steuerverhalten des Kl. mußte davon ausgegangen werden; daß dieser bei fortbestehender Berechtigung zur Gewerbeausübung weiterhin seine Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht in dem erforderlichen Umfang beachten würde, wie sich inbesondere aus den Auskünften des Finanzamts X ergibt. (wird ausgeführt)

Schließlich war der Kl. im maßgeblichen Zeitpunkt gewerberechtlich unzuverlässig, weil er leistungsunfähig war und deswegen für jeden, der mit ihm in Geschäftsbeziehungen trat, eine Gefahr bildete. Bei Erlaß des Widerspruchsbescheides schuldete er allein dem Finanzamt über 39.000,– DM an Umsatz- und Lohnsteuern zuzüglich Säumniszuschlägen sowie Einkommensteuern in Höhe von über 40.000,– DM zuzüglich Säumniszuschlägen. Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept war im maßgeblichen Zeitpunkt nicht ersichtlich. (wird ausgeführt)

Die hier der Beurteilung zugrunde gelegten Auskünfte des Finanzamts konnten in vollem Umfang verwertet werden. Der gegenteiligen Auffassung des Kl. kann nicht gefolgt werden. Dabei kann offen bleiben, ob die von ihm gerügte Verletzung des Steuergeheimnisses nach § 30 Abs. 1 AO 1977 überhaupt zu einem Verwertungsverbot führen würde. Denn im vorliegenden Fall liegt eine Verletzung des Steuergeheimnisses nicht vor, weil das Finanzamt zur Offenbarung der ihm bekannten Tatsachen befugt war. Es entspricht inzwischen gefestigter Rechtsprechung, daß die Finanzbehörden nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977 den Gewerbebehörden trotz grundsätzlich bestehenden Steuergeheimnisses solche Tatsachen mitteilen dürfen, aus denen sich ergibt, daß der Gewerbetreibende unzuverlässig und die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO erforderlich ist.

Vgl. BVerwG, Urt. v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – GewArch 1982, 294, 296; BFH, Urt. v. 10.2.1987 – VII R 77/84 – DB 1987, 1669, 1671; OVG Hamburg, Urt. v. 8.7.1980 – OVG Bf. III 103/78 – GewArch 1980, 373; ebenso zu der entsprechenden Vorschrift des § 22 AO a.F.: Urt. des Senats vom 14.7.1971 – 4 A 1127/70 – GewArch 1972 224 und vom 12.12.1975 – 4 A 1288/74 – GewArch 1976, 164.

An der Weiterleitung entsprechender Erkenntnisse besteht ein zwingendes öffentliches Interesse, weil andernfalls die Gefahr einer, erheblichen Störung der wirtschaftlichen Ordnung oder die Gefahr einer Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden zu besorgen ist.

Zu den Tatsachen, die berechtigterweise den Gewerbebehörden mitgeteilt werden können, gehören danach jedenfalls alle Steuererkenntnisse, die im Zusammenhang mit der, Gewerbeausübung stehen. Ein solcher Zusammenhang besteht unzweifelhaft hinsichtlich Lohn- und Umsatzsteuern, weil diese ihre Grundla...

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