Leitsatz (amtlich)

1. Bei Testamentsvollstreckung für den Vorerben ist nicht ohne weiteres von einer umfassenden Verfügungsbefugnis auch für den Nacherben auszugehen. Vielmehr ist durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln, in welchem Umfang der Erblasser dem Testamentsvollstrecker Befugnisse einräumen wollte.

2. Auch im Rahmen der Verfügungsbefugnisse nach § 2205 BGB hat das Grundbuchamt Beschränkungen zu beachten, die sich daraus ergeben, dass der zur Wahrung der Rechte des nicht befreiten Vorerben eingesetzte Testamentsvollstrecker Rechte des Nacherben nicht ausüben kann.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2042, 2113, 2205, 2208, 2222; GBO §§ 51-52

 

Verfahrensgang

AG München - Grundbuchamt

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des AG München - Grundbuchamt - vom 12.2.2015 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind im Grundbuch in Erbengemeinschaft als Eigentümer von Wohnungs- und Teileigentum, bestehend aus einer Wohnung, einem Kellerraum, einem Kellerabteil und einem Tiefgarageneinzelabstellplatz eingetragen. Dieses hatten sie im Erbgang nach ihren Eltern erworben.

Die in den Jahren 2008 und 2014 verstorbenen Eltern der Beteiligten zu 2 und 3 hatten am 8.9.2005 in notarieller Form ein gemeinschaftliches Testament errichtet, wonach Erben des zuerst Versterbenden der überlebende Ehegatte zu 6/7 und der Beteiligte zu 2 zu 1/7, letzterer jedoch nur als nicht befreiter Vorerbe, sind. Nacherbe ist der länger lebende Ehegatte. Ersatznacherben sind die Abkömmlinge des Vorerben entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolge (Abschnitt III. A. 1. b) (5)).

Zur Erbfolge nach dem Längerlebenden ist in Abschnitt III. A. 2. a) - Erbquoten - bestimmt:

(1) Schlusserben, also Erben des zuletztversterbenden Ehegatten und Erben im Fall eines gleichzeitigen Versterbens der Erschienenen sind die gemeinsamen Kinder (Beteiligter zu 3) zu 2/3 und (Beteiligter zu 2) zu 1/3.

Hinsichtlich des Beteiligten zu 2 ist angeordnet, dass er auch beim Schlusserbfall nur - nicht befreiter - Vorerbe sein soll. Als dessen Nacherben sind seine Abkömmlinge, als Ersatznacherben die anderen Schlusserben bestimmt (Abschnitt III. A. 2. b)).

Das Testament enthält in Abschnitt III. B. ("Einseitige, nicht wechselbezügliche Verfügungen und Bestimmungen") folgende Anordnung zur Testamentsvollstreckung (Ziff. 1.):

a) Testamentsvollstreckung bei beiden Erbfällen:

Der gemeinsame Sohn (= der Beteiligte zu 2) ist wegen seiner Behinderung nicht in der Lage, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen.

Er wird daher die ihm beim jeweiligen Erbfall zugewendeten Erbanteile nicht selbst verwalten können.

Sowohl der erstversterbende als auch der längerlebende Ehegatte ordnet hiermit deshalb hinsichtlich des dem gemeinsamen Sohn (= dem Beteiligten zu 2) jeweils zufallenden Erbteils Testamentsvollstreckung in der Form einer Dauertestamentsvollstreckung gemäß § 2209 BGB an.

b) Person des Testamentsvollstreckers

...

c) Aufgaben und Befugnisse des Testamentsvollstreckers

(1) Solange die jeweilige Erbengemeinschaft besteht, nimmt der Testamentsvollstrecker die ... (= dem Beteiligten zu 2) zustehenden Rechte als Miterbe wahr und verwaltet den Nachlass gemeinsam mit den weiteren Miterben.

(2) Der Testamentsvollstrecker darf nicht über den Erbanteil als solchen verfügen, jedoch bei einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft mitwirken.

(3) Nach erfolgter Erbauseinandersetzung setzt sich die Testamentsvollstreckung an

den Vermögenswerten fort, die bei der Nachlassteilung zugefallen sind, soweit gesetzlich zulässig.

(4) Gemäß § 2216 Abs. 2 BGB wird der jeweilige Testamentsvollstrecker verbindlich angewiesen, die ... (= dem Beteiligten zu 2) gebührenden jährlichen Reinerträgnisse des Nachlasses ausschließlich in folgender Form zuzuwenden:

...

(5) Der Testamentsvollstrecker wird ausdrücklich angewiesen, auf die Bedürfnisse und soweit möglich auch die Wünsche von ... (= dem Beteiligten zu 2) einzugehen.

(6) Der Testamentsvollstrecker entscheidet nach billigem Ermessen, welche Teile des jährlichen Reinertrags er für die einzelnen oben genannten Leistungen verwendet, wobei er allerdings immer das Wohl des ... (= dem Beteiligten zu 2) berücksichtigen muss.

(7) Soweit die jährlichen Reinerträge nicht in voller Höhe in der oben bezeichneten Weise verwendet worden sind, hat sie der Testamentsvollstrecker gewinnbringend anzulegen.

(8) Für nach obigen Grundsätzen geplante größere Anschaffungen oder Reisen sind vorab Rücklagen zu bilden.

(9) Soweit es zur Erfüllung seiner vorbezeichneten Aufgaben bei ordnungsgemäßer Verwaltung erforderlich ist, ist der Testamentsvollstrecker von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

...

Das Testament enthält zudem unter Abschnitt III. B. 2. folgendes Verbot der Auseinandersetzung:

Jeder von uns, den Erschienenen, ordnet einseitig und jederzeit widerruflich an, dass die Auseinandersetzung seines gesamten Nachlasses gegen den Willen eines Miterbe...

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