Leitsatz (amtlich)

1. Die negative Feststellungsklage, dass eine Forderung nicht gem. § 302 Nr. 1, 3. Alt. InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, fällt in die Zuständigkeit der Zivilgerichte (entgegen BFH, ZinsO 2018, 2674).

2. Die von § 302 Nr. 1, 3. Alt InsO geforderte rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung muss bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung vorliegen und nicht schon beim Schlusstermin.

3. In welchem Umfang eine Verbindlichkeit gem. § 302 Nr. 1, 3. Alt. InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, richtet sich danach, inwieweit sich die zur Tabelle angemeldete Steuerforderung und die in der strafgerichtlichen Verurteilung gem. § 267 StPO niederzulegende Berechnung der Steuerverkürzung decken. Nach der AO geschuldete Zinsen unterfallen demnach der Ausnahme nach § 302 Nr. 1, 3. Alt InsO nur, wenn auch sie Gegenstand der strafrechtlichen Verurteilung sind (entgegen BFH, ZinsO 2018, 2674).

 

Normenkette

InsO § 302

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 25 O 331/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das am 10.07.2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (25 O 331/16) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass es sich bei der von dem beklagten Land im Insolvenzverfahren 253 IN 160/14 Amtsgericht Dortmund zur lfd. Nr. 21 angemeldeten Forderung i.H. eines 16.205,15 EUR übersteigenden Betrages um eine Forderung handelt, die nicht gem. § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 16 % und das beklagte Land zu 84 %.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt die negative Feststellung, dass es sich bei der im Insolvenzverfahren über sein Vermögen unter der lfd. Nr. 21 angemeldeten Forderung i.H. von 99.356,71 EUR nicht um eine Forderung handelt, die gem. § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist. Das Insolvenzverfahren wurde von der B mit Schreiben vom 10.09.2014 und vom Kläger als Eigenantrag mit Schreiben vom 27.11.2014 eingeleitet. Das durch die B eingeleitete Insolvenzverfahren (253 IN 126/14 AG Dortmund) wurde mit dem Verfahren aufgrund des Eigenantrags des Klägers (253 IN 160/14 AG Dortmund) verbunden.

In dem am 18.04.2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers hat das beklagte Land mit am 14.10.2015 eingegangenem Schriftsatz insgesamt 100.146,99 EUR Steuerforderungen inkl. Säumniszuschläge und Zinsen für die die Jahre 2011, 2012 und 2013 zur Tabelle angemeldet. Bei der Anmeldung nahm das beklagte Land Bezug auf das Schreiben vom 30.07.2014, mit dem es unter dem Az. 5382/2014/04597-0-219-08 den Kläger darüber belehrt hat, dass der Verdacht einer Straftat nach der AO besteht. In dem Schreiben hat das beklagte Land ausgeführt, der Kläger habe in Dortmund in den Jahren 2011 bis 2013 durch die Angabe unrichtiger Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2013 und unrichtiger Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2013 dem Finanzamt Dortmund-Ost über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und dadurch Steuern in noch festzustellender Höhe verkürzt. Dies seien Straftaten nach §§ 369, 370 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V. mit § 150 AO, § 18 UStG, §§ 25 EStG, 56 EStDV. Ferner fügte das beklagte Land der Forderungsanmeldung die geänderten Bescheide über die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag jeweils für die Jahre 2011, 2012 und 2013 sowie über die Umsatzsteuer in diesen Jahren bei. Die zur Tabelle angemeldete Forderung schlüsselte das beklagte Land in einer Tabelle auf, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (vgl. Forderungsanmeldungsunterlagen zur laufenden Nummer 21 in der Insolvenzakte 253 IN 160/14 AG Dortmund).

Diese Anmeldung wurde i.H. von insgesamt 99.356,71 wegen der Forderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags für 2011 bis 2012 gemäß Bescheid vom 13.11.2014 sowie für 2013 gem. Bescheid vom 26.08.2015 und wegen der Forderung der Umsatzsteuer für 2011 bis 2012 gemäß Bescheid vom 13.11.2014 und für 2013 gemäß Bescheid vom 26.08.2015 in die Tabelle unter der lfd. Nummer 21 aufgenommen.

Im hiesigen Verfahren nicht streitgegenständlich ist die aus der Anmeldung des beklagten Landes ersichtliche Forderungsanmeldung der Umsatzsteuer für das 3. und 4. Vierteljahr 2013 inkl. Säumniszuschlags i.H. von zusammen 790,28 EUR, die unter der lfd. Nr. 22 in die Insolvenztabelle aufgenommen wurde.

Am 15.03.2016 ordnete das Amtsgericht Dortmund die bes...

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