Leitsatz (amtlich)

1. Das Selbsthilferecht des Minderheitengesellschafters einer GmbH nach § 50 Abs. 3 Satz 1 GmbHG ist erst dann verbraucht, wenn in einer beschlussfähigen Versammlung die Tagesordnung erledigt werden konnte.

2. Der Versammlungsleiter einer GmbH-Gesellschafterversammlung hat nicht die Kompetenz, die Versammlung abzubrechen. Ein kompetenzwidriger Abbruch führt nicht zur Beendigung der Versammlung.

3. Gesellschaftern, die den Versammlungsort im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Abbruchs verlassen haben, kann im Hinblick auf danach gefasste Beschlüsse des Minderheitengesellschafters ein Anfechtungsrecht zustehen. Die Ausübung dieses Anfechtungsrechts ist jedoch treuwidrig, wenn es den Gesellschaftern im Zusammenwirken mit dem Versammlungsleiter allein darauf ankam, eine Beschlussfassung über die Anträge des Minderheitengesellschafters zu verhindern.

 

Gründe

I. Die Parteien und die Nebenintervenientin streiten über Zustandekommen und Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen über die Bestellung eines Sonderprüfers zur Prüfung der Geschäftsführertätigkeiten der Kläger für die Beklagte, eine GmbH, und Tochtergesellschaften.

Die Kläger und die Nebenintervenientin sind Gesellschafter der Beklagten; die Nebenintervenientin mit 22 % der Anteile. Zwar wurde auf der Gesellschafterversammlung vom 17.08.2012 die Verpflichtung der Nebenintervenientin, ihre Geschäftsanteile auf die Kläger zu übertragen, beschlossen. Dieser Verpflichtung ist die Nebenintervenientin bislang aber nicht nachgekommen, zumal der Senat mit Urteil vom 05.06.2015 die Berufung der hiesigen Beklagten gegen ein Urteil des LG zurückgewiesen hat, in dem die Nichtigkeit eines entsprechenden Bestätigungsbeschlusses festgestellt wurde, weil es an einem wichtigen Grund für den Ausschluss fehle (11 U 189/13). Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist unter dem Az. II ZR 193/15 beim Bundesgerichtshof anhängig.

Die Kläger sind zugleich auch die Geschäftsführer der Beklagten. Die Nebenintervenientin hatte dieses Amt ursprünglich auch inne, ist aber aus wichtigem Grund abberufen worden. Die gegen einen entsprechenden Bestätigungsbeschluss gerichtete Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.

Nachdem die Kläger der Aufforderung der Nebenintervenientin, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, nicht nachgekommen waren, lud die Nebenintervenientin für den 26.09.2013 zu einer solchen Versammlung und teilte als Tagesordnungspunkte die Bestellung eines Sonderprüfers und die Bestellung eines besonderen Vertreters mit. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K 7 Bezug genommen. Die Kläger erschienen am 26.09.2013 nicht am Versammlungsort. Ob an diesem Tag eine Versammlung stattgefunden hat, wie sie Dr. J. im Protokoll vom 22.11.2013 bescheinigt (Anlage K 11), und ob dabei die schriftliche Vollmacht der Nebenintervenientin vom 19.09.2013 vorlag (Anlage 1 zur Anlage K 11), ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 26.09.2013 lud die Nebenintervenientin die Kläger zu einer Gesellschafterversammlung am 04.11.2013 ein (Anlage K 8). Am Ende des Schreibens heißt es: "Es wird laut Satzung darauf hingewiesen, dass die Versammlung ohne Rücksicht auf das vertretene Stammkapital beschlussfähig ist." Dieser Hinweis nimmt Bezug auf § 6 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages (Anlage K 9). Danach ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn alle Gesellschafter anwesend oder ordnungsgemäß vertreten sind; ist das nicht der Fall, so ist unverzüglich eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen, die dann ohne Rücksicht auf das vertretene Stammkapital beschließen kann.

Zu der Versammlung am 04.11.2013 erschienen die Kläger zu 1) und 2) mit Herrn Rechtsanwalt Dr. W., der zum Versammlungsleiter gewählt wurde, sowie für die Nebenintervenientin Herr Rechtsanwalt Dr. J. Über den Verlauf der Versammlung existieren Protokolle von Herrn Dr. W. (Anlage K 10) und Herrn Dr. J. (Anlage K 12). Dabei heißt es in letzterem Protokoll, dass sich Herr Dr. J., nachdem die anwesenden Kläger mit Herrn Dr. W. den Versammlungsort verlassen hatten - zuvor hatte Dr. W. die Versammlung auch ausweislich seines Protokolls abgebrochen -, als Vertreter der Nebenintervenientin zum Versammlungsleiter gewählt und die streitgegenständlichen Beschlüsse gefasst habe. Der genaue Ablauf der Versammlung ist zwischen den Parteien streitig.

Dieses Protokoll mit Anlagen übersandte Dr. J. mit Schreiben vom 26.11.2013 an den Kläger zu 2) und an Rechtsanwalt Dr. W. (Anlage K 13).

Die Kläger haben mit der am 23.12.2013 eingegangenen Klage begehrt, die Nichtigkeit der Beschlüsse festzustellen, hilfsweise, die Beschlüsse für nichtig zu erklären, und beantragt, einen Prozesspfleger für die Beklagte zu bestellen und die Klage an diesen zuzustellen.

Die Klage ist am 20.01.2014 an die Beklagte, "vertreten durch den Geschäftsführer", zugestellt worden. Mit Beschluss vom 02.04.2014 hat das LG einen Prozesspfleger für die Beklagte bestellt und diesem am 17.04.2014 die Klage erneut zugestellt.

Die Nebeninter...

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