Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 08.01.2021; Aktenzeichen 606 Qs 1/21)

AG Hamburg (Entscheidung vom 22.10.2020; Aktenzeichen 162 Gs 867/20)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 6, vom 8. Januar 2021 - betreffend den Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vom 22. Oktober 2020 (Az.: 162 Gs 867/20) - wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg führt gegen den Beschuldigten und 15 weitere Beschuldigte, unter denen sich auch der Bruder des Beschwerdeführers N. D. befindet, das verfahrensgegenständliche Ermittlungsverfahren wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen.

1. Am 22. Oktober 2020 erließ das Amtsgericht Hamburg einen auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl gegen den Beschuldigten wegen des dringenden Tatverdachts des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen. Der Tatverdacht ergibt sich hiernach vor allem aus der Kommunikation, die der Nutzer des Namens "showking", der dem Beschwerdeführer zugeordnet wird, über das verschlüsselte Nachrichtensystem EncroChat geführt hat.

2. Der Inhalt der betreffenden Kommunikation ergibt sich aus Daten, die von den französischen Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt worden sind. Den in Frankreich durchgeführten und aufeinander aufbauenden Ermittlungsmaßnahmen lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Rahmen von sieben offensichtlich nicht im Zusammenhang stehenden Ermittlungsverfahren - in fünf Fällen handelte es sich ausschließlich um Betäubungsmitteldelikte (436 kg Cannabisharz / 100 kg Cannabisharz / 30 kg Cannabisharz / 30 kg Cannabisharz / 12 kg Cannabiskraut, 6 kg Heroin, 1 kg Crack), in einem Fall um ein Betäubungsmitteldelikt (6 kg Cannabisharz) sowie um eine Diebstahlsserie von Luxuskraftfahrzeugen und in einem weiteren Fall um bandenmäßig organisierten Kraftfahrzeugdiebstahl - der französischen Behörden in den Jahren 2017 und 2018 wurden verschlüsselte Telefone unter "EncroChat-Lizenz" sichergestellt. Weitere Recherchen ergaben, dass diese Telefone auf einer frei zugänglichen Internetseite mit folgenden Produktmerkmalen beworben wurden: "Garantie der Anonymität, personalisierte Android Plattform, doppeltes Betriebssystem, allerneueste Technik, automatische Löschung von Nachrichten, schnelles Löschen, Unantastbarkeit, Kryptografie-Hardwaremodul". Folgende Anwendungen waren auf dieser Art von Telefonen verfügbar: "EncroChat (lnstant-Secure Messaging Kunde), EncroTalk (Chiffrierung der Sprachkonversationen auf IP), EncroNotes (Chiffrierung der lokal auf dem Gerät gespeicherten Notizen)". Ein Erwerb solcher Endgeräte war über die offizielle Webseite dieser Gesellschaft nicht möglich. Auf der Verkaufsplattform eBay wurden derartige Geräte für 1.610 EUR angeboten, wobei dieser Preis eine Nutzerlizenz für die Dauer von sechs Monaten beinhaltete. Personen, die sich nach außen als Verantwortliche der Firma EncroChat präsentierten, existierten nicht. Einen offiziellen Sitz eines Unternehmens EncroChat gab es ebenfalls nicht.

Anhand der Auswertung eines der beschlagnahmten Mobiltelefone konnten die Ermittlungsbehörden aufgrund der aus- und eingehenden Datenströme feststellen, dass eine Datenverbindung zu einem in Rubaix/Frankreich betriebenen Server bestand. Dieser Server war von der Gesellschaft "Virtue Imports" mit Sitz in Vancouver/Kanada angemietet.

Nach Einholung eines richterlichen Beschlusses wurden am 21. Dezember 2018 die Daten des vorgenannten Servers kopiert und in der Folgezeit ausgewertet. Die Ermittlungen wurden zu diesem Zeitpunkt wegen des Verdachts der Bildung einer "kriminellen Vereinigung zur Begehung von Straftaten oder Verbrechen, die mit zehn Jahren Haft bestraft werden (und insbesondere Verbrechen des Betäubungsmittel-/Drogenhandels laut Artikel 222-37 des Code pénal [französisches Strafgesetzbuch] - Natinf [Code zur Verbrechensklassifizierung] 7168 und 12214" sowie weiteren Tatbeständen im Zusammenhang mit der Lieferung, dem Transfer und dem Import eines Verschlüsselungsmittels (Natinf 32537, 32538, 32539) geführt.

Die kopierten Serverdaten förderten unter anderem zutage, dass die verwendeten SIM-Karten von einem niederländischen Betreiber stammten und im System insgesamt 66.134 SIM-Karten eingetragen waren. Es konnten knapp 3.500 Dateien mit Notizen entschlüsselt werden, die zweifelsfrei in Verbindung mit illegalen Aktivitäten, insbesondere dem Drogenhandel, standen. So zeigten beispielsweise die Notizen eines Nutzers hochwahrscheinlich dessen Einbindung in Drogenhandel über Häfen und dessen Möglichkeiten zur Geldwäsche in Paris durch Zahlungsströme in Richtung Marokko.

Aufgrund richterlicher Genehmigungen des Gerichts in Lille vom 30. Januar 2020 für den Einsatz einer Computerdaten-Abfangeinrichtung sowohl auf dem Server als auch auf den mit diesem Server verbundenen Endgeräten und schließlich mangels ander...

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