Leitsatz (amtlich)

1. Der Steuerberater, der auf Grund eines Geschäftsbesorgungsvertrages tätig wird, ist verpflichtet, die ihm von dem Mandanten zum Zwecke der Geschäftsbesorgung überlassenen Unterlagen (Kassenbelege, Kassenabrechnungen, Bankauszüge) an diesen bei Beendigung des Mandats herauszugeben. Im Falle der Unwirksamkeit der Beauftragung ergibt sich der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 BGB.

2. Sind die Unterlagen einer Steuerberatersozietät übergeben worden, schuldet jedes einzelne Mitglied der Sozietät wie ein Gesamtschuldner neben der Gesellschaft die Herausgabe.

3. Ein Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters an den Handakten besteht gem. § 66 Abs. 4 StBerG nur insoweit, als er für die konkrete Angelegenheit, für die er die Unterlagen erhalten hat, noch Vergütung verlangen kann.

4. Gemäß § 66 Abs. 4 S. 2 StBerG besteht ein Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters nicht, wenn die Vorenthaltung der Handakten oder einzelner Schriftstücke nach den Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Klärung der Gegenforderung des Steuerberaters schwierig und zeitraubend ist und dadurch die Durchsetzung des Herausgabeanspruchs des Mandanten auf unabsehbare Zeit verhindern kann.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 08.12.2003; Aktenzeichen 9 O 289/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 8.12.2003 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Düsseldorf geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, alle Kassenbelege, Kassenabrechnungen und Bankauszüge der Klägerin für die Jahre 2000, 2001 und den Zeitraum vom 1.1.2002 bis 31.1.2002 an die Klägerin herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte mit Ausnahme der Kosten des Streithelfers, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Der Senat sieht gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen ab.

I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Entscheidung des LG beruht auf einem Rechtsfehler, §§ 513, 546 ZPO. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Herausgabe der dem Beklagten zur Durchführung des Steuerberatungsmandats überlassenen Unterlagen zu, ohne dass sich dieser mit Erfolg auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen kann.

1. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der von der Klägerin erteilte Beratungsauftrag wirksam ist. Ist der Vertrag wirksam, dann ergibt sich der Herausgabeanspruch aus §§ 675 Abs. 1, 667 BGB. Danach ist der Steuerberater, der aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages tätig wird, verpflichtet, die ihm von dem Mandanten zum Zwecke der Geschäftsbesorgung überlassenen Unterlagen an diesen bei Beendigung des Mandats herauszugeben (vgl. BGH v. 11.3.2004 - IX ZR 178/03, CR 2004, 889 = BGHReport 2004, 1066 = GI 2004, 178, m.w.N.). Im Falle der Unwirksamkeit der Beauftragung ergibt sich der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Die Frage, ob der Steuerberatervertrag allein zwischen der Klägerin und dem Beklagten oder zwischen der Klägerin und der aus dem Kläger und dem Beklagten gebildeten Sozietät zustande gekommen ist, braucht ebenfalls nicht entschieden zu werden. Denn auch wenn die Klägerin der Sozietät Dr. G. & W. das Mandat erteilt hat, schuldet der Beklagte die Herausgabe der Unterlagengemäß §§ 675, 667 BGB bzw. § 812 BGB, da er dann wie ein Gesamtschuldner neben der Gesellschaft verpflichtet ist (zur Verpflichtung des Gesellschafters neben der Gesellschaft vgl.: BGH v. 27.9.1999 - II ZR 371/98, GmbHR 1999, 1134 = NJW 1999, 3483; BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 = AG 2001, 307 = NJW 2001, 1056 [1061]; Zugehör, Beraterhaftung nach der Schuldrechtsreform, 2002, Rz. 20 ff. [25 ff.]).

2. Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen unbezahlter Gebührenforderungen berufen. Das LG Düsseldorf hat die von der Sozietät Dr. G. & W. geltend gemachten Honoraransprüche mit Berufungsurteil vom 18.11.2004 abgewiesen (Az. 21 S 208/04). Der Senat hat keine Veranlassung, das bei ihm anhängige Verfahren gem. § 148 ZPO im Hinblick auf die fehlende Rechtskraft dieser Entscheidung auszusetzen, weil dem Beklagten auch dann kein Zurückbehaltungsrecht zusteht, wenn man den von der Sozietät geltend gemachten Honoraranspruch unterstellt.

Ist der Steuerberatervertrag wirksam, dann kann sich ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten ggü. dem Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen für die Jahre 2000 und 2001, nicht jedoch ggü. dem Herausgabeverlangen der Belege und Unterlagen aus Januar 2002 gem. § 66 Abs. 4 StBerG ergeben. Das Zurückbehaltungsrecht an den Handakten besteht nur insoweit, als der Steuerberater für die konkrete Angelegenheit, für die er die Unterlagen erhalten hat, noch Vergütung verlangen kann (BGH v. 3.7.1997 - IX ZR 244/96, NJW 1997, 2944 [2946], zum Zurückbehaltungsrechts des Anwalts; KG Berlin GI 2002, 256, zum Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters). Der B...

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