Gründe

›... Nach einhelliger Meinung erlischt das Recht auf Strafverfolgung mit der Rechtskraft des Strafurteils. Der rechtskräftige Abschluß des Strafverfahrens schließt die Strafverfolgung ab; zugleich endet auch die Verfolgungsverjährung. Das gilt allgemein sowohl für verurteilende als auch für freisprechende Urteile. Weiterhin ist anerkannt, daß in den Fällen, in denen das Verfahrensrecht einen Eingriff in die Rechtskraft der Entscheidung gestattet, mit dem Zeitpunkt, in dem die Rechtskraft beseitigt wird, die Verfolgungsverjährung wieder einsetzt. Umstritten ist allein die Frage, ob die Verfolgungsverjährung neu beginnt oder ob die frühere vor der rechtskräftigen Entscheidung begründete Verfolgungsverjährung sich nach deren Wegfall fortsetzt.

Seit der Entscheidung des RG [in RGSt 76, 46, 48] wird Ä soweit ersichtlich Ä von der Rechtspr. ausnahmslos die Auffassung vertreten, daß mit dem Wegfall der rechtskräftigen Entscheidung die Verfolgungsverjährung neu beginnt (vgl. [u. a.] BGH, GoltdArch 1974, 149; OLG Frankfurt, MDR 1978, 513; OLG Köln, DAR 1979, 344; OLG Stuttgart, MDR 1986, 608). Hiermit in Einklang steht auch die in der Literatur vorherrschende Meinung (vgl. [u. a.] Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., Rdn. 3 zu § 362 und Rdn. 39 zu § 370; Jähnke in LK, StPO, 10. Aufl., Rdn. 11 zu § 78; Kleinknecht/Meyer, StPO, 38. Aufl., Rdn. 1 zu § 362).

Demgegenüber wird von einem Teil der Literatur .. die Auffassung vertreten, daß zumindest im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des zunächst freigesprochenen Angekl. sich die vor dem freisprechenden Urteil bestehende Strafverfolgungsverjährung fortsetze. Die hierfür angeführten Argumente dieser Mindermeinung .. überzeugen nicht.‹

Das gelte zunächst für das Argument, der Neubeginn der Verfolgungsverjährung habe abweichend vom früheren Recht Ä nunmehr keine Rechtsgrundlage (vgl. u. a. Lackner, StGB, 17. Aufl., Anm. 3 zu § 78). Diese Auffassung beruhe ersichtlich darauf, daß bei der Neuregelung der Verjährungsvorschriften keine ausdrückliche Regelung für den Fall des Wegfalls der zunächst eingetretenen Rechtskraft getroffen worden ist. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, daß eine ausdrückliche Regelung in diesen Fällen nicht erforderlich gewesen sei, wie sich aus folgendem ergebe:

›Der gestaltende Eingriff in die Rechtskraft hat lediglich zur Folge, daß deren Wirkung für die Zukunft entfällt. Die zunächst einmal eingetretene Rechtskraft und die Zeit, in der derentwegen eine Strafverfolgung nicht stattgefunden hat und nicht stattfinden durfte, wird dadurch nicht ungeschehen gemacht. Das ›Rad der Zeit‹ läßt sich nicht zurückdrehen [folgen Nachw.]. Da für die Zeitspanne der Rechtskraft für eine Strafverfolgung kein Raum war, kann diese Zeitspanne auch nicht als ›Ruhen der Verjährung‹ i. S. von § 78 b StGB angesehen werden (RG, aaO.; OLG Stuttgart, aaO. ..).‹

Ebensowenig überzeuge das Argument, im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des früher freigesprochenen Angekl. müsse diesem aus Billigkeitsgründen Ä die begünstigende Wirkung der Verfolgungsverjährung zugesprochen werden, weil der zunächst Freigesprochene nicht schlechter gestellt werden dürfe als ein überhaupt nicht verfolgter Täter bzw. ein Täter, bei dem die Ermittlungen nicht zur Eröffnung des Hauptverfahrens geführt hätten.

›Abgesehen davon, daß Billigkeitserwägungen im Recht der Verjährung keinen Platz haben .., ist nicht einzusehen, daß der Täter, der seinen Freispruch z. B. durch Vorlage gefälschter Urkunden oder Stellung falschaussagender Zeugen erwirkt hat, so behandelt werden muß wie jemand, den die Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachts erst gar nicht angeklagt hat. ...

[Daß schließlich die von der Rechtspr. und herrschenden Lit.-Meinung vertretene Auffassung] ›willkürlich‹ [ist] und dem Grundsatz des § 78 a StGB widersprechen soll, wonach die Verjährung mit der Beendigung der Tat beginnt, vermag der Senat nicht zu erkennen. Unberücksichtigt geblieben ist insoweit .., daß nach § 78 b Abs. 1 StGB bereits im Falle eines gesetzl. Verfolgungsverjährungsverbots die Verjährung ohne Rücksicht auf die Zeitdauer nicht läuft. Dies gilt mit größerer Berechtigung für den Fall, daß Ä wie hier Ä während der Zeitspanne der Rechtskraft eine Verfolgung nicht einmal in Betracht kam. Es wäre sinnwidrig, bei nachträglicher Rechtskraftbeseitigung die Verfolgungsverjährung rückwirkend ablaufen zu lassen, obgleich während dieses Zeitraums keine Verfolgungsverjährung zulässig war und mithin auch eine zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung geeignete Handlung rechtlich nicht in Betracht kam (so mit Recht OLG Frankfurt, aaO.). ...‹

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993852

NJW 1988, 2251

DRsp III(310)156c-d

JR 1988, 794

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