Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbescheid gegen einen Haftungsschuldner nach § 167 Abs. 1 Satz 1, zweite Altern. AO

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Schuldner von Kapitalerträgen für nicht angemeldete und nicht abgeführte Kapitalertragsteuer kann gemäß § 44 Abs. 5 EStG durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
  2. Die Ermächtigungen zum Erlass von Haftungsbescheiden nach § 44 Abs. 5 EStG bzw. für den Erlass von Steuerbescheiden gegen den Haftungsschuldner gemäß § 167 Abs. 1 Satz 2, 2. Altern. AO stehen im Fall der nicht einbehaltenen, nicht abgeführten und nicht angemeldeten Kapitalertragsteuer nicht gleichwertig nebeneinander. Steuerfestsetzungs- und Haftungsverfahren sind eigenständige und voneinander unabhängige Verfahren, die unterschiedlichem Verfahrensrecht unterliegen.
  3. Der Finanzbehörde kann kein Wahlrecht zustehen, in welchen Fällen sie einen Steuerbescheid oder einen Haftungsbescheid erlässt.
 

Normenkette

AO § 167 Abs. 1 S. 2; EStG § 44 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.09.2000; Aktenzeichen I R 10/00)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung von Kapitalertragsteuer.

Gegenstand der mit Vertrag vom 18. Oktober 1993 gegründeten Klägerin ist die Organisation und Abwicklung von Technologietransfer. Ort der Geschäftsleitung ist R... . Das Stammkapital beträgt 50.000 DM. Alleiniger Gesellschafter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer war in den Streitjahren 1993 und 1994 ... L... in S... (Rußland). Als Empfangsbevollmächtigter mit Wohnort R... wurde dem Finanzamt gegenüber Herr ... benannt.

Die mit den Körperschaftsteuererklärungen für 1993 und 1994 am 29. Juni 1995 eingereichten Bilanzen wiesen zum einen das Stammkapital von 50.000 DM, zum anderen eine Forderung gegen den Gesellschafter in der selben Höhe aus. Das Finanzamt gingdavon aus, dass der Geschäftsführer die Stammeinlage nicht eingezahlt hatte und die als Darlehen anzusehende Forderung üblicherweise vom Gesellschafter zu verzinsen sei. Die nichtgeforderten Zinsen in Höhe von 8 % der nichteingezahlten Stammkapitals erfasste das Finanzamt als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA), und zwar für 1993 in Höhe von 777 DM und für 1994 in Höhe von 4.000 DM. Es erließ unter dem 2. Oktober 1995 Körperschaftsteuerbescheide unter Berücksichtigung der vGA. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 21. November 1995 setzte das Finanzamt gegen die Klägerin Kapitalertragsteuer für 1993 und 1994 in Höhe von 25 % der angenommenen vGA fest, und zwar für 1993 194 DM und für 1994 1.000 DM. Anmeldungen zur Kapitalertragsteuer hatte die Klägerin nicht abgegeben. Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, er lägen keine vGA vor. Zwischen ihr und ihrem Gesellschafter sei ein Darlehen vereinbart, die Zinsforderungen seien durch eine entsprechende Bilanzberichtigung berücksichtigt worden. Sie legte die von dem Gesellschafter-Geschäftsführer und Herrn H... unterschriebene Darlehensvereinbarung vom 20. Oktober 1993 vor, die folgenden Wortlaut hat:

"Zwischen der V... GmbH und Herrn ... L... wird folgende Darlehensvereinbarung getroffen:

Die V... GmbH stellt Herrn ... L... ein Darlehen mit Datum vom 22. Oktober 1993 zur Verfügung. Dieses Darlehen ist mit 8 % p.a. zu verzinsen.

Das Darlehen wird tilgungsfrei gewährt. Die Rückzahlung kann in Teilbeträgen oder in einer Summe erfolgen."

Ferner legte sie vor ein vom Gesellschafter-Geschäftsführer unterzeichnetes Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 15. November 1995, das, soweit hier interessierend, folgenden Wortlaut hat:

"In der Gesellschafterversammlung werden die vom Steuerbüro ... vorgelegten Jahresabschlüsse 1993 und 1994 besprochen ...

Die vorliegenden Jahresabschlüsse werden unter der Voraussetzung festgestellt und genehmigt, dass die bislang nicht berücksichtigte Verzinsung der Gesellschafterforderungen durch eine Bilanzberichtigung nachgeholt wird. Diese Verzinsung ist entsprechend der Vereinbarung zwischen der V... GmbH und Herrn ... L... vom 20. Oktober 1993 vorzunehmen ..." Mit Bescheid vom 15. März 1996 wies das Finanzamt den Einspruch zurück. Nach § 3 des Gesellschaftsvertrags sei die Stammeinlage von 50.000 DM unverzüglich voll einzuzahlen gewesen. In einem Schreiben an das Amtsgericht S... vom 18. Oktober 1993 habe der alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer versichert, dass die Stammeinlage in voller Höhe geleistet worden sei. Die Klägerin habe mit ihrem Geschäftsführer am 20. Oktober 1993 die Gewährung eines tilgungsfreien Darlehens in Höhe des Stammkapitals vereinbart, das mit 8 % zu verzinsen sei. Eine Bilanzberichtigung sei nachBestandskraft der Veranlagung zur Körperschaftsteuer nur insoweit möglich, als die Veranlagung nach den Vorschriften der AO noch geändert werden könne oder die Bilanzberichtigung sich nicht auf die Höhe der veranlagten Steuer auswirke. Eine Änderungsmöglichkeit bestehe hier nicht. Eine Bilanzberichtigung hätte im Streitfall auch Auswirkungen auf die festgesetzte Körperschaftsteuer. Der im Rahmen der Gese...

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