Entscheidungsstichwort (Thema)

Außergerichtliche Inkassotätigkeit eines Rechtsanwalts als Gewerbebetrieb

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die berufsbildtypische Ausübung eines Katalogberufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist von der Ausübung anderer Berufe abzugrenzen, soweit der Berufsträger Tätigkeiten entfaltet, die sich zu einem selbstständigen Berufsbild verfestigt haben.
  2. Bezieht ein RA Einkünfte, die teilweise auf der beruflichen Tätigkeit als RA und teilweise auf einem berufsfremden Geschäft beruhen, sind sie getrennt zu erfassen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist.
  3. Nur wenn bei einer Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, liegt einheitliche Tätigkeit vor. Diese ist steuerlich danach zu qualifizieren, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht.
  4. Die bloße außergerichtliche Inkassotätigkeit eines RA ist nicht als typische anwaltliche Tätigkeit anzusehen und daher für sich grds. als gewerblich einzustufen.
  5. Ebenso wenig kommt eine Zurechnung zu den Einkünften aus sonstiger selbstständiger Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG in Betracht.
 

Normenkette

EStG § 18

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 20.08.2012; Aktenzeichen III B 246/11)

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit Januar 2000 als Rechtsanwalt in eigener Praxis selbständig tätig. Seinen Gewinn ermittelt er durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Gewerbesteuererklärungen gab der Kläger nicht ab.

Seit Ende des Jahres 2005 betrieb der Kläger auch den außergerichtlichen Forderungseinzug. Bis Anfang 2006 (Streitjahr) war er insoweit für X tätig. Der Kläger kündigte das Mandat Januar 2006. Seit Mitte März des Streitjahrs betrieb der Kläger den außergerichtlichen Forderungseinzug für Y.

Y unterhielt mehrere Internet-Portale. Säumige Schuldner mahnte Y zunächst selbst. Falls diese Mahnung erfolglos blieb, übersandte Y dem Kläger auf Datenleitungen die aufgezeichneten Daten der Geschäftsverbindung für dessen Mahnschreiben. Jede Datenübermittlung bestand aus 2.500 bis 4.500 Datensätzen.

Für Y verschickte der Kläger in der Zeit von März bis Dezember 2006 insgesamt 684.704 Mahnungen mit einem Standardtext. Die dem Kläger von Y auf elektronischem Wege übermittelten Daten wurden in die eigens für den Kläger entwickelte EDV-Software importiert. Der Ausdruck der Mahnschreiben sowie das Einkuvertieren erfolgten voll automatisch. Die Mahnungen unterschieden sich nur in den automatisch eingefügten Daten hinsichtlich Adresse, Aktenzeichen, Vertrags- und Rechnungsdatum. Das Original der Mahnungen hatte der Kläger entworfen. Wegen der Einzelheiten des vom Kläger entwickelten Mahnschreibens wird auf das Musterschreiben vom 8. November 2006 verwiesen.

Der Kläger betrieb im Zusammenhang mit der Inkassotätigkeit sog. Call-Center mit insgesamt ca. 30 Telefonplätzen. Dort nahmen 45 - 80 Call-Center Agenten, die in Teilzeit beschäftigt waren und bei denen es sich meist um Jura- oder Pädagogikstudenten handelte, Anrufe von Mahnungsempfängern entgegen. Für die Call-Center-Agenten gab der Kläger ein Merkblatt über „wichtige Fakten im Überblick” heraus. In diesem Merkblatt stellte der Kläger Grundregeln für das dienstliche Verhalten der Agenten und für das Führen der Telefongespräche auf. Außerdem gab der Kläger den Agenten in weiteren Merkblättern „Wichtige Hinweise” für die Bearbeitung der Forderungen und „Grundsätze zur Bearbeitung von Brief/Faxpost und Emails”.

Außer den Call-Center Agenten beschäftigte der Kläger im Streitjahr eine Bürovorsteherin, deren Vertreterin, einen Personalleiter und einen Mitarbeiter für die Personaleinsatzplanung. Die Bürovorsteherin verfügte über eine Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarsfachgehilfin. Die Vertreterin der Bürovorsteherin und der Personalleiter waren Diplom-Kaufleute. Der Mitarbeiter für die Personaleinsatzplanung verfügte über keine besondere Qualifikation.

Die Poststelle des Klägers sortierte die eingehende Post in „normale” Post und in Anwaltsschreiben. Das Bearbeiten der eingehenden Post erfolgte durch besonders geschulte Call-Center Agenten. Schwere Fälle wurden von den Call-Center Agenten nach Rücksprache mit den sog. Mitarbeiterbetreuern, die beim Kläger ebenfalls angestellt waren, oder von den Mitarbeiterbetreuern selbst bearbeitet. Besonders schwierige Fälle und Anwaltsschreiben erledigte der Personalleiter nach konkreter Weisung des Klägers.

Die Bearbeitung der Vorgänge erfolgte grundsätzlich nach einem vom Kläger entwickelten und eigens für seine Mitarbeiter herausgegebenen Leitfaden. Der Argumentationsleitfaden enthielt insbesondere Argumentationshilfen für Telefongespräche, Vorgaben für die Vorgehensweise bei Ratenzahlungsvereinbarungen und für die Einstellung der Beitreibungsversuche. Briefe, Faxpost und Emails waren nach den hierfür vom Kläger ausgegebenen Grundsätzen zu bearbeiten.

Der Kläger beantragte im Streitjahr im Zusammenhang mit seiner Inkassotätigkeit für Y ca. 30 - 40 Ma...

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