Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelmäßige Arbeitsstätte: Als Personalreserve in wechselnden Filialen eingesetzter Sparkassenmitarbeiter

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Als regelmäßige Arbeitsstätte ist die ortfeste Betriebsstätte des ArbG zu verstehen, der der ArbN zugeordnet ist und die er nachhaltig aufsucht.
  2. Die Arbeitsstätte muss der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des ArbN sein.
  3. Ein ArbN kann bei seinem ArbG auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten haben.
  4. Wird ein als Personalreserve beschäftigter Sparkassenmitarbeiter wechselnd in insgesamt 14 Filialen eingesetzt, so entspricht der Arbeitseinsatz nicht mehr dem Typus der Beschäftigung an einer regelmäßigen Arbeitsstätte.
 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1

 

Streitjahr(e)

2008

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob es sich bei 14 Sparkassenfilialen, in denen der Kläger als Personalreserve wechselnd eingesetzt wird, um regelmäßige Arbeitsstätten handelt.

Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist Bankkaufmann und bei der K Sparkasse angestellt. Im Streitjahr 2008 wurde der Kläger wie schon im Vorjahr 2007 als Personalreserve in insgesamt 14 Filialen eingesetzt, die im nördlichen Teil des Landkreises K gelegen sind. Der Kläger erkundigt sich dabei am Morgen des jeweiligen Arbeitstages bei der Sparkasse danach, wo er konkret eingesetzt wird. Der Einsatzort ist abhängig von spontan aufgetretenen Personalausfällen.

Im Einzelnen war der Kläger im Jahre 2008 wie folgt eingesetzt:

Filiale

Tage

Gi

56

Ho

33

He

2

Li

21

Va

8

Ve

13

Ka

1

Ho

4

Ni

15

BK

36

Li

1

Tr

3

104

In der Einkommensteuererklärung für 2008 gab der Kläger unter Bezugnahme auf R 9.4 Abs. 3 Lohnsteuerrichtlinien die Fahrten zu der Filiale in Gi als Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte an. Die Fahrten zu den übrigen Filialen sah er als Dienstreisen an. Er ermittelte eine Entfernung von 11.274 km und Fahrtkosten in Höhe von 3.382,20 €. Außerdem machte er Verpflegungsmehraufwand für 207 Tage in Höhe von insgesamt 1.242,- € geltend.

Der Beklagte ging demgegenüber davon aus, dass es sich bei sämtlichen Fahrten um Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte handele, die somit nur mit 0,30 € je Entfernungskilometer berücksichtigt werden könnten. Verpflegungsmehraufwendungen könnten dementsprechend nicht berücksichtigt werden.

Bei der Eingabe der Daten in den Computer hat der Beklagte durch Versehen die Fahrten zur Filiale Li gänzlich außer Ansatz gelassen.

Insgesamt berücksichtigte der Beklagte im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 22. Juni 2009 die Fahrtkosten zu den 13 Filialen, die der Kläger nach Dienstreisegrundsätzen in Ansatz gebracht hatte, mit einem Betrag von 1.566,- € und setzte die Einkommensteuer 2008 auf 4.581,- € fest.

Der Kläger ist der Auffassung, dass allein die Filiale Gi als regelmäßige Arbeitstätte angesehen werden könne. Für die anderen Filialen fehle es an der erforderlichen Nachhaltigkeit des Arbeitseinsatzes. Vom Typus der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien solche Fahrten nicht umfasst, die durch einen häufigen Ortswechsel geprägt seien. Die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle, in denen eine regelmäßige Arbeitsstätte angenommen werde, hätten jeweils eine deutlich geringere Anzahl von Einsatzstellen aufgewiesen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom 22. Juni 2008 und des Einspruchsbescheids vom 22. Dezember 2009 weitere Werbungskosten in Höhe von 3.058,- € zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass es für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte ausreiche, dass der Arbeitnehmer eine bestimmte Anzahl von Filialen immer wieder, wenn auch in unregelmäßigen Abständen, aufsuche. Der Kläger sei bereits im Vorjahr in den Filialen, die sich in einem bestimmten Umkreis befinden würden, tätig geworden. Aus der Regelung in R 9.4 Abs. 3 Satz 2 LStR, wonach zwingend eine regelmäßige Arbeitsstätte anzunehmen sei, wenn der Steuerpflichtige sie an mindestens 46 Tagen im Jahr aufgesucht habe, könne kein Umkehrschluss gezogen werden, dass dieses bei einer geringeren Anzahl nicht der Fall sei.

Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung auf den Hinweis des Gerichts, dass die Fahrten zur Filiale Li gänzlich unberücksichtigt geblieben seien, den Einkommensteuerbescheid 2008 geändert und die Einkommensteuer auf 4.547,- € herabgesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Filialen der K Sparkasse, die der Kläger in seiner Eigenschaft als Personalreserve aufsucht, stellen keine regelmäßige Arbeitsstätte dar. Der Kläger kann deshalb seine Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen geltend machen und Verpflegungsmehraufwendungen für die Zeit der Abwesenheit von seiner Wohnung abziehen.

Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der für das Streitjahr 2008 geltenden Gesetzesfassung auch die Aufwendungen des Arbeitnehmer für die Wege zwischen Wohnung und ...

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