Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Willenserklärungen – Zulässigkeit einer Feststellungsklage neben einer Verpflichtungsklage

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ob ein FA eine verbindliche Regelung treffen wollte und getroffen hat, ist nach dem objektiven Erklärungsinhalt des Schreibens zu beurteilen. Dabei kommt es darauf an, ob für den Adressaten aus dem Akt selbst oder aus den Umständen seines Erlasses erkennbar ist, dass eine verbindliche Maßnahme mit Außenwirkung gewollt war.
  2. Zur Auslegung einer außerprozessualen Verfahrenserklärung gemäß § 133 BGB.
  3. Eine Verpflichtungsklage ist ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens nur zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.
  4. Eine Verpflichtungsklage schließt eine Feststellungsklage nicht generell aus.
 

Normenkette

FGO §§ 41, 44, 46; BGB § 133

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 03.11.2010; Aktenzeichen II B 55/10)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 Abgabenordnung (AO) wegen eines Schenkungsteuerguthabens für den Zeitraum vom 01.07.1995 bis Oktober 2004 hat.

Mit Bescheid vom 09.09.1994 war gegenüber dem Kläger Schenkungssteuer in Höhe von 40.451 DM festgesetzt worden.

Der Kläger legte Einspruch ein und zahlte bei Fälligkeit und durch spätere Umbuchungen einen Teilbetrag von zusammen 10.655 DM, wie er sich später als endgültig festgesetzte Schenkungssteuer ergab; streitig war insoweit, ob der Kläger mit Schenkungsvertrag vom 31.05.1994 von seinem Vater Betriebsvermögen (Freibetrag nach § 13 Abs. 2 a ErbStG in der damals geltenden Fassung in Höhe von 500.000 DM)) oder Privatvermögen erhalten hatte. Die verbliebene aber streitige Schenkungssteuer von 29.796 DM, für die der Kläger ohne Erfolg Aussetzung der Vollziehung beantragt hatte, verrechnete das FA mit Wert 04.07.1995 mit dem sich aus der Einkommensteuerfestsetzung für 2003 ergebenden Erstattungsbetrag. Zugleich mit dem Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17.07.1995 waren auch Erstattungszinsen auf den Erstattungsbetrag von 38.807 DM vom 01.04. bis 30.06.1995 gemäß §§ 233 a, 238 AO festgesetzt worden. Einspruch wurde hiergegen wie auch gegen den Einkommensteuerbescheid nicht eingelegt. Ein schließlich nach erfolglosem Aussetzungsverfahren beim Niedersächsischen Finanzgericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Schenkungsteuer (Antrag vom 26.10./30.10.1995; Az. 3 V 428/95) fand seine Erledigung, indem das FA mit Bescheid vom 21.01.2001 an Schenkungssteuer 29.796 DM „vom Fälligkeitstag an” von der Vollziehung aussetzte. Das Einspruchsverfahren wurde dadurch beendet, dass das FA die zu zahlende Schenkungssteuer mit Bescheid vom 01.10.2004 auf 10.655 DM herabsetzte. Das Schenkungssteuerguthaben von 29.796 DM entspr. 15.234,46 € wurde im Oktober 2004 erstattet.

Mit Schreiben vom 08.10.2004 (Betreff: „Geänderter Schenkungssteuerbescheid vom 01.10.2004; Antrag auf Zinsabrechnung”) stellte der Kläger einen Antrag auf Festsetzung von Prozesszinsen gemäß § 236 AO für den Zeitraum 30.10.1995 bis zum Erstattungstag im Oktober 2010. Mit Schreiben vom 26.10.2004 (Betreff: „Schenkungssteuersache E…; Antrag auf Zinsabrechnung gem. § 236 AO) teilte ihm das FA mit: „Ihrem Antrag auf Zinsabrechnung (§236 AO) vom 8. Oktober 2004 kann ich nicht entsprechen” und begründete dieses ausführlich. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Mit Schreiben vom 23.11.2004 (Betreff: „Schenkungssteuerbescheid vom 01.10.2004; Antrag auf Zinsabrechnung vom 08. Oktober 2004; Ihr Schreiben vom 26.10.2004” begründete der Kläger nochmals seinen Antrag auf Zinsabrechnung, nunmehr unter dem Gesichtspunkt des § 233 a AO, und beantragte, das Einkommensteuerguthaben vom 01.07.1995 bis zum Erstattungstag im Oktober 2004 nach dieser Vorschrift zu verzinsen. Das mit der Schenkungssteuer verrechnete Einkommensteuerguthaben hätte aufgrund des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung wieder mit Wirkung ab Stellung des Antrags ausgezahlt werden müssen. Denn der angefochtene Schenkungssteuerbescheid sei bereits durch die Verrechnung vollzogen gewesen, sodass der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als solcher auf Aufhebung der Vollziehung hätte beurteilt werden müssen und entsprechend die Aufhebung der Vollziehung gewährt werden müssen. Da die Erstattung nun aber erst im Oktober 2004 erfolgt sei, müsse der Betrag nach § 233 a AO verzinst werden.

Mit Schreiben vom 03.05.2005 (Betreff „Schenkungssteuersache E…; Antrag auf Zinsabrechnung 23. November 2004” teilte das FA dem Kläger mit: „Ihrem Antrag auf Zinsabrechnung vom 23. November 2004 kann ich nicht entsprechen” und begründete dies nach ausführlicher Sachverhaltsdarstellung mit den folgenden Sätzen: „Eine Verzinsung kommt nicht in Betracht (§ 237 Abs. 3 AO). Das Einkommensteuerguthaben war bereits durch die Umbuchung vom 18. Juli 1995 erloschen, somit greift auch § 233 a AO nicht ein. Im Übrigen stellt § 233 a AO keine Rechtsgrundlage für die...

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