Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine rückwirkende Aufhebung des Kindergeldbescheides wegen zu hoher Einkünfte des Kindes bei Übereinstimmung von prognostizierten und tatsächlichen Einkünften; Kindergeld; Einkünfteprognose

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Entsprechen die tatsächlichen Einkünfte des Kindes exakt den von der Familienkasse prognostizierten, und wird die Rechtsentscheidung der Familienkasse erst aufgrund der Verkündung des Jahressteuergesetzes 1997 am 27.12.1996 fehlerhaft, kann eine Aufhebung des Kindergeldbescheides nicht auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden.
  2. Der Umstand, dass aus einer mit den üblichen Unwägbarkeiten behafteten Prognose ein feststehender Sachverhalt geworden ist, rechtfertigt keine rückwirkende Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.
 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, in der Vergangenheit gewährtes Kindergeld zurückzufordern, obwohl die tatsächlich erzielten Einkünfte des Kindes der im vorhinein vorgelegten Ausbildungsbescheinigung entsprachen.

Ab Januar 1996 erhielt der Kläger für seinen am 05.09.1978 geborenen Sohn J. (erneut) Kindergeld. Da sein Sohn am 05.09.1996 das 18. Lebensjahr vollendete, legte der Kläger dem Beklagten eine Ausbildungsbescheinigung für seinen Sohn vom 13.08.1996 vor, in der bestätigt wurde, dass J. sich in einer Berufsausbildung als Kaufmann im Einzelhandel befinde, die vom 01.08.1995 bis voraussichtlich 31.07.1998 dauern werde. Weiterhin wurde bestätigt, dass die Ausbildungsvergütung seit August 1995 1.017 DM monatlich betrage und sich im Laufe der weiteren Ausbildung nach dem derzeit geltenden Tarif ab August 1996 auf 1.112 DM und ab August 1997 auf 1.267 DM erhöhen werde. Daraufhin wurde das Kindergeld weiterhin gewährt.

Am 06.11.1996 legte der Kläger eine weitere Ausbildungsbescheinigung für seinen Sohn vom 04.11.1996 vor, deren Angaben mit denen der Bescheinigung vom 13.08.1996 identisch waren (Bl. 74 der KG-Akte). Daraufhin errechnete der Beklagte die voraussichtlichen Einkünfte des Kindes für das Jahr 1997 wie folgt:

7 x 1.112 DM =

7.784 DM

5 x 1.267 DM =

6.335 DM

14.119 DM

./.

2.000 DM

12.119 DM

In einer internen "KG-Terminanzeige/Verfügung/Kassenanordnung" verfügte der Beklagte unter dem 18.11.1996 die Weiterzahlung des Kindergeldes für J. befristet bis Dezember 1997. In der Folgezeit wurde das Kindergeld weiter gezahlt, ohne dass dem Kläger die Befristung bekanntgegeben worden wäre.

Am 10.12.1997 legte der Kläger dem Beklagten eine Ausbildungsbescheinigung für seinen Sohn vom 04.12.1997 vor, in dem die Ausbildungsvergütung ab August 1997 mit 1.267 DM angegeben war. Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 16.12.1997 das Kindergeld für J. unter Hinweis auf die zu hohen Einkünfte des Kindes mit Ablauf des Monats Dezember 1997 auf 0 DM fest.

Nach einem Hinweis des Finanzamtes, dass J. im Kalenderjahr 1997 Einkünfte in Höhe von 12.119 DM erzielt habe, hob der Beklagte mit Bescheid vom 07.09.1998 die Festsetzung des Kindergeldes für J. von Januar 1997 bis Dezember 1997 auf. Die rückwirkende Festsetzung wurde auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) gestützt. Im selben Bescheid wurde das für den genannten Zeitraum gezahlte Kindergeld in Höhe von 2.640 DM zurückgefordert.

Im Einspruchsverfahren stützte der Beklagte die Änderung auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Nennung einer anderen Rechtsgrundlage im Bescheid vom 07.09.1998 sei unbeachtlich. Als rückwirkendes Ereignis sei die tatsächliche Einkunftserzielung des Sohnes i.V.m. der Gesetzesänderung zum 01.01.1997 zu sehen. So habe der Beklagte aufgrund der vorgelegten Ausbildungsbescheinigungen die voraussichtlichen Einkünfte des Sohnes für 1997 zutreffend mit 12.119 DM prognostiziert. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Weiterbewilligung am 18.11.1996 habe der Beklagte aufgrund der gesetzlichen Regelungen im Jahressteuergesetz 1996 davon ausgehen können, dass die maßgebliche Einkunftsgrenze ab dem 01.01.1997 12.360 DM betragen werde. Die damalige Entscheidung des Beklagten sei somit richtig gewesen. Erst am 27.12.1996 sei das Jahressteuergesetz 1997 verkündet worden, in dem die Erhöhung der Einkommensgrenze von 12.000 DM auf 12.360 DM um ein Jahr auf Januar 1998 verschoben worden sei. Als sich dann nach Ablauf des Jahres 1997 herausgestellt habe, dass die tatsächlichen Einkünfte des Sohnes mit 12.119 DM über dem zulässigen Höchstbetrag lagen, hätte die rückwirkende Änderung erfolgen müssen.

Gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung der gezahlten Beträge wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Zur Begründung beruft sich der Kläger in erster Linie auf Vertrauensschutz. Er habe immer rechtzeitig und ordnungsgemäß über sämtliche Einkünfte seines Sohnes informiert. Spätestens als der Beklagte erkannt habe, dass die für 1997 geltende Einkommensgrenze nicht von 12.000 DM auf 12.360 DM erhöht worden sei, hätte dieser das Kindergeld nicht weiter auszahlen dürfe...

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