Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung von Kindergeld – Verjährung des Rückforderungsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. § 37 Abs. 2 AO gilt sowohl für den Erstattungsanspruch des Kindergeldberechtigten gegenüber der FK als auch für den umgekehrten Fall der Rückforderung einer rechtsgrundlos geleisteten Zahlung seitens der FK.
  2. Erfolgt die Auszahlung von Kindergeld irrtümlich ohne eine zu Grunde liegende Kindergeldfestsetzung, bemisst sich die Verjährung des Rückforderungsanspruchs nach der sog. Zahlungsverjährung gemäß § 228 ff. AO.
  3. Zu den Voraussetzungen einer konkludenten Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.
  4. Zu den Voraussetzungen einer Verwirkung.
 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2, §§ 168, 228; EStG § 31 S. 3, §§ 70, 72-73

 

Streitjahr(e)

1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008

 

Tatbestand

Streitig ist die Rückzahlung von 33.718,08 € Kindergeld wegen Doppelzahlung.

Der Kläger ist der Kindergeldberechtigte für die Kinder M (geb. 29. August 1994) und G (geb. am 24. Mai 1997).

Er war seit Juni 1997 bei der T GmbH beschäftigt. Die Familienkasse des Arbeitsamts V stellte eine sog. Kindergeldbescheinigung aus, die der Kläger bei seiner Arbeitgeberin einreichte. Das Kindergeld wurde daraufhin von der Arbeitgeberin ausgezahlt.

Zum 1. April 1998 wechselte der Kläger in den öffentlichen Dienst des Landes A. Er ist seitdem für das X-Präsidium A tätig.

Der Kläger beantragte bei der S-Kommission für das Personalwesen (zukünftig: S-Kommission) Kindergeld für seine beiden Söhne. In dem Antragsformular verneinte er die Frage, ob er oder sein Ehegatte für die eingetragenen Kinder bei einer anderen Stelle Kindergeld beantragt oder von einer anderen Stelle erhalten habe. Er teilte aber dem X-Präsidium mit Schreiben vom 3. April 1998 mit, dass die Kindergeldzahlungen bisher durch die T GmbH erfolgt seien. Er reichte außerdem die aktuelle Kindergeldbescheinigung der Familienkasse ein.

Am 23. April 1998 setzte die S-Kommission das Kindergeld ab April 1998 fest und nahm die Zahlung des Kindergelds auf. Eine Vergleichsmitteilung an die Familienkasse des Arbeitsamts V erging nicht.

Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999 vom 19. Dezember 1998 (BGBl I, 3779) wurde die Möglichkeit, das Kindergeld durch private Arbeitgeber auszahlen zu lassen, aufgehoben.

Im Dezember 1998 erhielt der Kläger ein Schreiben der Beklagten, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die Familienkasse des Arbeitsamts ab Januar 1999 die Auszahlung des Kindergelds übernehmen werde. Wenn die bisherigen Angaben zu der Bankverbindung noch zutreffend seien, sei keine Antwort erforderlich. Nur für den Fall einer geänderten Bankverbindung wurde um eine entsprechende Mitteilung gebeten.

Der Kläger reagierte nicht. Daraufhin zahlte die Beklagte das Kindergeld ab Januar 1999 auf ein Konto des Klägers und seiner Ehefrau bei der Kreissparkasse S aus.

Der öffentliche Arbeitgeber des Klägers zahlte das Kindergeld im Rahmen der Gehaltsüberweisungen ebenfalls aus.

Die Doppelzahlungen wurden erst im Jahr 2008 aufgedeckt. Die Beklagte stellte ab Juli 2008 die Zahlung ein.

Am 30. Juli 2008 hob der nunmehr zuständige Eigenbetrieb des Landes A „P-N” die Kindergeldfestsetzung der S-Kommission für die beiden Kinder vom 1. April 1998 bis zum 30. Juni 2008 auf. Der Einspruch des Klägers gegen die Aufhebung war erfolgreich.

Mit Bescheid vom 16. September 2008 forderte die Beklagte ihre Kindergeldleistungen für die Monate Januar 1999 bis Juni 2008 in Höhe von 33.718,08 € gemäß § 37 Abs. 2 AO zurück. Die Zahlungen seien ohne Rechtsgrund erfolgt.

Am 30. September 2008 legte der Kläger gegen den Rückforderungsbescheid Einspruch ein. Er räumte die Doppelzahlungen ein. Eine Rückforderung sei aber wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht möglich, weil sich die beteiligten Behörden nicht abgestimmt hätten. Es habe für den Kläger und seine Ehefrau kein Anlass für Nachforschungen bestanden. Die Kindergeldfestsetzung vom 23. April 1998 sei dem Kläger ebenso wie die laufenden Gehaltsmitteilungen über seine Dienststelle zugeleitet worden. Er habe seine Gehaltsmitteilungen in seinem Büro bei der X aufbewahrt. Die Ehefrau habe die Gehaltsmitteilungen nie zu Gesicht bekommen. Die Ehefrau kümmere sich um die privaten finanziellen Angelegenheiten. Der Kläger habe nur gelegentlich die Kontoauszüge für das gemeinsame Konto in Händen gehalten, um z.B. Erstattungen des Arbeitgebers nachzuvollziehen. Weder dem Kläger noch der Ehefrau seien die Doppelzahlungen aufgefallen. Dies gelte insbesondere deswegen, weil das von der S-Kommission gezahlte Kindergeld nicht als gesonderter Posten auf den Kontoauszügen sichtbar werde, sondern als Gehaltsbestandteil in der Gesamtsumme des Auszahlungsbetrags enthalten sei. Nur bei genauer Betrachtung der Gehaltsmitteilungen sei der Ausweis des Kindergelds erkennbar gewesen.

Die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit habe die Zahlungen ab Januar 1999 aufgenommen, ohne dass der Kläger hierzu Anlass gegeben habe. Es sei dem Kläger in dem ...

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