Leitsatz

1. Überwiegend neues Betriebsvermögen i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1999 liegt vor, wenn das zugegangene Aktivvermögen das vorher vorhandene Restaktivvermögen übersteigt. Dies ist anhand einer gegenständlichen Betrachtungsweise zu ermitteln; eine Verrechnung von Zu- und Abgängen zu einem betragsmäßigen Saldo ist nicht vorzunehmen (Bestätigung der Senatsurteile vom 13.8.1997, I R 89/96, BStBl II 1997, 829 und vom 8.8.2001, I R 29/00, BStBl II 2002, 392; Abweichung vom BMF-Schreiben vom 17.6.2002, BStBl I 2002, 629 i.V.m. BMF-Schreiben vom 16.4.1999, BStBl I 1999, 455 Tz. 09).

2. Innenfinanzierte Anschaffungen führen jedenfalls dann zu neuem Betriebsvermögen i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1999, wenn es sich um einen Fall des Branchenwechsels handelt.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 4 KStG 1996/1999

 

Sachverhalt

Gegenstand des Unternehmens der 1997 gegründeten Klägerin war ursprünglich der Im- und Export von Waren aller Art, der Erwerb und die Veräußerung von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie der Handel mit Waren. Alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin war zunächst A. Diese verstarb am 1.4.1999. Ihre Anteile wurden am 3.2.2000 auf B übertragen, der daraufhin am 13.3.2000 den Gegenstand und die Firma des Unternehmens änderte. Am 17.10.2000 veräußerte B die Anteile an die gegenwärtige alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin C.

Im Jahr 1999 erzielte die Klägerin keine Umsatzerlöse. Die Gewinn- und Verlustrechnung wies lediglich sonstige betriebliche Erträge aus der Auflösung von Sonderposten mit Rücklagenanteil sowie von Rückstellungen aus. Die Bilanz zum 31.12.1999 wies im Anlagevermögen die Geschäftsausstattung mit einem Buchwert von 793 DM sowie im Umlaufvermögen sonstige Vermögensgegenstände mit einem Buchwert von rd. 1.000 DM und Bankguthaben von 1.122 DM aus.

Im Jahr 2000 ergaben sich bei den Sachanlagen Buchwertzugänge von insgesamt rd. 69.000 DM. Es handelte sich um einen Pkw, Büroeinrichtung und geringwertige Wirtschaftsgüter. Diese waren weder Gegenstand einer Sacheinlage noch wurden sie aus Bareinlagen angeschafft. Auch wurde insoweit kein Fremdkapital aufgenommen. Vielmehr wurden sie zumindest im Wesentlichen aus den im Wirtschaftsjahr 2000 erzielten Umsatzerlösen i.H.v. insgesamt rd. 343.000 DM finanziert, die aus Beratungsleistungen stammten. Zum 31.12.2000 waren unter Berücksichtigung von Abgängen (der Pkw nach Totalschaden und geringwertige Wirtschaftsgüter) im Anlagevermögen Sachanlagen bzw. Geschäftsausstattung mit einem Buchwert von rd. 7.400 DM sowie immaterielle Wirtschaftsgüter in Form von EDV-Software mit einem Buchwert von rd. 1.500 DM vorhanden.

Das FA versagte unter Verweis auf § 8 Abs. 4 KStG 1999 die Berücksichtigung des zum 31.12.1999 gesondert festgestellten Verlustvortrags.

Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich (EFG 2006, 764).

 

Entscheidung

Anders als das FG aber der BFH:

Er erachtet die Anschaffung des geschilderten Aktivvermögens aus selbst erwirtschafteten Mitteln bei der "gebotenen wertenden Betrachtung" als abzugsschädlich. Ausschlaggebend ist die Gegenständlichkeit des verwendeten Betriebsvermögens, das jedenfalls bei Vorliegen eines Brachenwechsels, den der BFH im Urteilsfall bejaht. Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass er die gegenständliche Betrachtung für die Auslegung des § 8 Abs. 4 KStG als allgemeinverbindlich ansieht, also auch bei Fehlen des besagten Wechsels der Branche.

 

Hinweis

1. Im "Vorwege" und in (nur mäßig) froher Erwartung der gesetzgeberischen Neuschöpfung des § 8c KStG i.d.F. des JStG 2008 beschäftigt uns das Problem der Verlustnutzung bei der Kapitalgesellschaft in der Gegenwart noch in Gestalt des bisherigen § 8 Abs. 4 KStG. Und so manche "Flanke" ist in diesem Zusammenhang immer noch offen, nicht zuletzt und zuvörderst die Frage der formellen Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Regelungsfassung. Der BFH hat die Frage bekanntlich bereits durch Beschluss vom 18.7.2001, I R 38/99 (BFH-PR 2002, 77) zu der Parallelvorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 a.F. dem BVerfG zur Normenkontrolle vorgelegt (dortiges Az. 2 BvL 12/01) und dieses Vorabentscheidungsgesuch konkret bezogen auf § 8 Abs. 4 KStG durch Beschluss vom 22.8.2006, I R 25/06 (BFH-PR 2007, 24) noch einmal wiederholt (Az. des BVerfG hierzu: 2 BvL 61/06). Doch: Still ruht der See, und das seit mehr als sechs Jahren!

2. Auf die Probleme, die sich bei der Normauslegung des § 8 Abs. 4 KStG stellen, wurde in dieser Zeitschrift schon wiederholt hingewiesen. Sie seien in ihrem Kernbereich kurz wiederholt:

a) Nach dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn (1.) bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen werden, (2.) überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und (3.) der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen fortgeführt oder wieder aufgenommen wird.

b) Nur um das 2. dieser Merkmale ging es (einmal mehr) im aktuellen Urteilsfall. Nach der Rechtsprechung des BFH (U...

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