Leitsatz

Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass die neuen Tatsachen rechtserheblich für die ursprüngliche Veranlagung gewesen sind. Die Korrektur darf dagegen nicht auf einer geänderten Rechtsansicht beruhen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der börsennotierten TV AG angestellt. Sie gewährte dieser im Jahr 1997 ein verzinsliches Darlehen von 5 000 DM. Zugleich war ihr das Recht eingeräumt, erstmalig nach 2 Jahren für 50 % der Darlehenssumme eine Wandlung des Rückzahlungsanspruchs in Aktien der TV AG durchzuführen. Die Umwandlung der weiteren 50 % konnte später erfolgen.

Im Rahmen der ESt-Veranlagung 1997 teile die Klägerin dem Finanzamt im Mai 1999 unter Vorlage diverser (Darlehens-)Unterlagen mit, dass sie Ende 1997 ein Wandeldarlehen gezeichnet habe. Sie habe insoweit bislang nicht versteuerten Arbeitslohn von 6 736 DM bezogen.

In der ESt-Erklärung für 1999 gab sie an, dass die Kapitaleinnahmen unter dem Sparer-Freibetrag liegen. Der Erklärung war eine Zinsbestätigung beigefügt, in der Zinsen zu einer Darlehenssumme von 5 000 DM bis Oktober 1999 bzw. 2 500 DM ab November 1999 ausgewiesen waren.

Nach der (zunächst) erklärungsgemäßen Durchführung der Veranlagung änderte das Finanzamt den ESt-Bescheid 1999 wegen neuer Tatsachen. Es hatte aufgrund einer Kontrollmitteilung erfahren, dass die Klägerin Ende Oktober 1999 einen Teilbetrag ihres Wandeldarlehens i. H. v. 2 500 DM in Aktien umgewandelt und dadurch einen geldwerten Vorteil von 2 183 000 DM erlangt hatte (Endbesteuerung).

 

Entscheidung

Das FG hat der Klage mit der Begründung abgeholfen, dass die neuen Tatsachen nicht rechtserheblich gewesen seien und dass die Grundsätze von Treu und Glauben einer Änderung des ESt-Bescheids 1999 entgegen stünden.

Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass die Festsetzung der höheren Steuer auf dem Bekanntwerden der neuen Tatsache und nicht auf einer Änderung der bisherigen Rechtsauffassung beruht. Maßstab ist hierfür, ob das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis der später bekannt werdenden Tatsachen schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Steuer gelangt wäre. Dies ist hier auszuschließen, denn die Änderung beruht darauf, dass das Finanzamt hinsichtlich des Zuflusszeitpunkts eine andere Rechtsauffassung vertreten hat (Endbesteuerung).

Überdies darf das Finanzamt trotz nachträglichen Bekanntwerdens einer zur Steuererhöhung führenden Tatsache einen Änderungsbescheid nicht erlassen, wenn ihr die Tatsache infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht zunächst unbekannt geblieben ist und der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht in zumutbarem Umfang erfüllt (hat). So verhält es sich vorliegend, denn die Bedeutsamkeit des Bezugs von TV Aktien war öffentliches Kenntnisgut und jedem, der sich diesem Umstand nicht aktiv verschloss, auch ohne konkrete Nennung von weiteren Details hinreichend bekannt. Soweit das Finanzamt vor diesem Hintergrund und angesichts der besonderen Medienerstattung wegen der sogar historisch bedeutsamen Wertsteigerung der Aktie im Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung 1999 keine weiteren Ermittlungen angestellt hat, geht das zu seinen Lasten.

 

Hinweis

Wie für "Börseninsider" nur unschwer zu erkennen, handelt sich vorliegend um die Aktie der EM.TV AG, die nach dem abrupten Ende der "New Economy Blase" im Jahr 2000 in massive wirtschaftliche Turbulenzen geriet. Die Besonderheiten des Streitfalls liegen darin, dass man Ende der neunziger Jahre am Neuen Markt "schnelles Geld" verdienen konnte und dass zu diesem Zeitpunkt der Zufluss von Arbeitslohn bei Wandelschuldverschreibungen (Anfangs- oder Endbesteuerung) noch nicht höchstrichterlich geklärt war. Das Finanzamt hätte sich daher die Überprüfung des ESt-Bescheids 1999 durch eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO offen halten können bzw. müssen.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 26.06.2009, 8 K 1338/07

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